Ausgewählter Beitrag

Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

Inhalt:
Der 11-jährige jüdische Junge Moses führt kein leichtes Leben: Dem Vater, ein arbeitsloser Rechtsanwalt, der sich verbittert hinter seinen Büchern verschanzt und ihn dauernd mit Moses' unbekanntem Bruder Popol vergleicht, kann er es niemals recht machen. Und das, obwohl Moses ihm den ganzen Haushalt ganz alleine führt, täglich für sie beide einkauft und sein Essen kocht. Seine Mutter ist fortgegangen, als er noch so klein war, dass er sich kaum mehr an sie erinnert.
Als Moses sein Sparschwein schlachtet, um es für ein wenig Vergnügung auszugeben anstatt es zu sparen, gefällt das dem Vater nicht ganz so gut. Außerdem ist er sehr misstrauisch und bezichtigt seinen Sohn des Geldstehlens.
Wenn er schon des Klauens bezichtigt wird, denkt sich Moses daraufhin, warum sollte er es nicht tatsächlich tun. Also lässt er jedes Mal, wenn er in Monsieur Ibrahims Laden einkaufen geht, eine Konservendose mitgehen. Schon bald stellt sich heraus, dass der gute Mann, der die Ruhe selbst zu sein scheint, das sehr wohl bemerkt.
Und mit der Zeit entspinnt sich ein interessanter Dialog zwischen ihnen, der meist nur aus wenigen Sätzen besteht, aber umso tiefgründiger ist. So erfährt er beispielsweise, dass Monsieur Ibrahim eigentlich gar kein Araber ist, sondern Türke, dass er, obwohl er Moslem ist, Alkohol trinkt, da das im Sufismus, einer mystischen / philosophischen Richtung des Islam, die den Schwerpunkt nicht auf den Legalismus (islamisches Recht) legt, offenbar nicht verboten ist. Auch zeigt sich, dass dieser Mann ein sehr verschmitztes Kerlchen ist, der seinen Charme clever einzusetzen weiß, um seine Ziele zu erreichen.
Es entwickelt sich eine richtige Freundschaft zwischen ihnen, und als Moses Lebenssituation sich schlagartig verschlechtert, erweist es sich, dass auf Monsieur Ibrahim absolut Verlass ist und er sich ungefragt sehr gut um ihn kümmert. Nach einer abschließenden Reise in die Heimat Monsieur Ibrahims, wo er auch dessen besten Freund kennen lernt und eine Art Tanz lernt, der an einem Ort getanzt wird, den man "Tekke" nennt, und der zugleich so etwas wie ein Gebet ist, wird sich sein Leben für immer zum Positiven verändern...

Textauszug:
"M'sieur Ibrahim, wenn ich sage, dass das Lächeln etwas für reiche Leute ist, dann will ich damit sagen, dass es nur was für glückliche Leute ist."
"Na, da irrst du dich aber. Es ist das Lächeln, das glücklich macht."
"Quatsch."
"Versuch's."
"Quatsch", sage ich.
"Bist du höflich, Momo?"
"Muss ich sein, sonst krieg ich was hinter die Löffel."
"Höflich sein ist gut. Freundlich sein ist besser. Versuch es mal mit einem Lächeln, und du wirst sehen."
Nun, wie auch immer, wenn man nett darum gebeten wird von Monsieur Ibrahim, der mir ein Büchse Sauerkraut allerfeinster Qualität rüberschiebt, warum es dann nicht versuchen...
Am nächsten Tag benehme ich mich wie ein Blöder, als ob mich in der Nacht etwas gestochen hätte: Alle und jeden lächle ich an.
"Nein, Madame, ich bitte um Entschuldigung, die Aufgabe in Mathe habe ich nicht verstanden."
Zack: Lächeln.
"Ich hab sie nicht geschafft!"
"Gut, Moses, ich werde sie dir noch einmal erklären."
Noch nie erlebt. Kein Anschnauzer, kein Tadel. Nichts.
In der Schulkantine...
"Könnte ich noch ein bisschen Maronencreme haben?"
Zack: Lächeln.
"Ja, mit einem Klacks Quark..."
Und ich krieg's.
Beim Sport gebe ich zu, dass ich meine Turnschuhe vergessen habe.
Zack: Lächeln.
"Sie müssen noch trocknen, M'sieur."
Der Lehrer lacht und klopft mir auf die Schulter.
Ich bin wie im Rausch. Keiner kann mir widerstehen. Monsieur Ibrahim hat mir die wirksamste aller Waffen gegeben. Ich befeuere die ganze Welt mit meinem Lächeln. Ich werde nicht mehr wie Ungeziefer behandelt.
(c) Eric-Emmanuel Schmitt

Fazit:
Ein klasse Buch, das beispielhaft für den Brückenschlag zwischen den Kulturen sein könnte. Mit einfachen Worten werden Weisheiten angesprochen, die für das Leben wesentlich sind. An vielen Stellen - vor Allem denen, in denen es zu grotesken, nicht sehr realistischen Situationen kommt - hat es mich zum Schmunzeln angeregt. Es kommt aber bei dem Buch nicht darauf an, ob es realistisch ist und ob sich bestimmte Leute tatsächlich so leicht um den kleinen Finger wickeln ließen, wenn man ihnen Ähnliches erzählen würde (zum Beispiel die Sache mit dem "Führerschein" :-) ). Auf die Aussage kommt es an. Auf die "Seele" des Buches. Also, es hat mich bewegt und es wird mich sicher noch lange gedanklich begleiten. Ich habe es ins Herz geschlossen, und daher möchte ich es Euch besonders an Selbiges legen.

Karin 11.02.2007, 21.51

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