Ausgewählter Beitrag

Ich sehe Dinge,

die nicht da sind eigentlich schon da sind, nur eben nicht immer sichtbar.

Vielleicht habe ich ja deshalb keinerlei Angst vor Lücken, weil ich weiß, dass es im Grunde keine wirklichen Lücken gibt. Ich meine, sobald im täglichen Leben irgendwo eine (vermeintliche, oberflächlich gesehen) "Lücke" entsteht, wird diese doch automatisch durch irgendetwas anderes ausgefüllt. Sei es Gedanken, Gefühle, Zu-sich-selbst-Kommen, bewusste Wahrnehmung all der Dinge um einen herum, oder einfach Er-füllung. ->



Zum Stichwort "Lücken" passt übrigens auch das heutige Zitat der Zitante:

"Rechne die unvollkommenen Tage zusammen. So kommt eine Summe Freude und Leben heraus."
Friedrich Hölderlin

Nun ja, nicht nur Freude - aber in jedem Fall Leben.



-> Manche mögen die Lücke auch deswegen willkürlich ausfüllen, weil das Bild ohne das weiße Dreieck auf sie irgendwie bedrohlich wirken würde (als würden die blauen Kreise gleich aufeinander losgehen und sich auffressen, oder so).
Aber warum wirkt die Lücke auf diese bedrohlich? Es ist doch klar, dass das, was die Lücke im Leben ausfüllt, nicht nur positiv sein kann. In der Lücke kann man sich schließlich auch einsam fühlen, oder andere negative Empfindungen kommen hoch.
Doch gehört dies nicht genauso zum Leben? Ist die Lücke da nicht auch eine Möglichkeit, diese Empfindungen zuzulassen - und somit mehr über sich selbst zu lernen (die Seite, die sonst vielleicht nicht so zum Vorschein kommen kann)? Nicht zuletzt: Wenn man diese Emotionen zulässt, verhindert man dadurch, dass sie einen zu einem späteren Zeitpunkt (womöglich, wo es nicht so passt) einholen und dann ggf. sogar behindern.*

Abgesehen vom obigen Beispiel, wo es meiner Ansicht nach wirklich eine philosophische Frage ist, ob das weiße Dreieck nun tatsächlich vorhanden ist oder nicht - finde ich optische Täuschungen immer wieder faszinierend. Wie schnell sich das Auge linken lässt... Wobei wohl jeder seine eigenen "Spezialitäten" hat, wo er/sie eher drauf hereinfällt oder eben nicht. Bei manchen Bildern ist das sicherlich auch manipulierbar - d.h. irgendwann erkennt das Gedächtnis die "Tricks" und fällt offenbar nicht mehr darauf herein.
Aber vielleicht meint man es im Nachhinein nur so? Vielleicht ist man schon darauf hereingefallen, und das Gehirn hat sich erst nach dem Betrachten noch einmal schnell korrigiert? Umgekehrt kann es aber auch mal sein, dass man ein Bild auf den ersten Blick so wahrgenommen hat, wie es wirklich ist - und erst auf dem zweiten Blick sieht, dass man es auch anders wahrnehmen könnte. Oder beide Sichtperspektiven wechseln einander ab, so dass sich das Gehirn nicht entscheiden kann (bekanntestes Beispiel: das mit den Blumenvasen bzw. Gesichtern).
Wie ist das bei Euch? Kennt Ihr bestimmte optische Täuschungen, gegen die Ihr "immun" seid? Oder auf die Euer persönliches Gedächtnis immer wieder hereinfällt? Wirken manche der Bilder auf Euch besonders verwirrend?
Bei mir ist es so, dass einige Täuschungen umso verwirrender wirken, je länger ich sie anschaue (z.B. dieses). Auf einige rein geometrische Täuschungen fällt mein Gehirn interessanterweise offenbar gar nicht herein (nicht vorhandene Größenunterschiede, Linien, Kreise, die wie Spiralen wirken "sollen" - Ausnahme: wenn das Bild sehr komplex ist, s. das oberste davon - , etc.). Und bei solchen Bildern wie das mit den Vasen und Gesichtern sehe ich oft beides; vereinzelt kann es aber auch vorkommen, dass ich mich anstrengen / darauf konzentrieren muss, das andere zu sehen (bei den Bildern mit einer Frau sehe ich etwa nur die junge Frau ).

Wir Menschen vertrauen oft so sehr auf unseren Seh-Sinn. Oft sind die meisten sogar so sehr auf diesen fixiert, das die anderen Sinne nicht mehr so ge- und beachtet werden, wie sie es verdient hätten.
Schon oft habe ich über die Sinne nachgedacht - welcher für mich "am Wichtigsten" ist, und auf welchen ich (wenn ich verzichten müsste) am ehesten verzichten könnte. Es mag überraschen, in Anbetracht dessen, dass viele diesem Sinn die größte Bedeutung beimessen, aber: Ich könnte mir durchaus vorstellen, ohne den optischen Sinn zu leben.
Klar wäre es eine große Umstellung, und würde seine Zeit dauern, bis die anderen Sinne sich so eingestellt, abgestimmt und geschult hätten, dass sie den fehlenden Sinn ersetzt hätten. Insgesamt glaube ich aber, dass sich das Leben auf verschiedentliche Weise als Blinde sogar noch intensivieren könnte. Nicht nur, weil man sich aufs Wesentliche beschränken müsste (das Wesentliche würde sogar dieses Leben ausmachen, bzw. würde einen großen Teil dessen in Anspruch nehmen).
Und - auch - unter dem Aspekt, dass bei Blinden die anderen Sinne umso ausgeprägter sind: Ist es nicht häufig so, dass manche Blinde mehr "sehen" als einige Sehende? Irgendwie logisch, der Sehende ist ja im täglichen Leben oft so sehr von dem abgelenkt, was er sieht (noch zusätzlich zu dem, was er sonst noch wahrnimmt), dass er das Naheliegende, oder auch manches aus dem zwischenmenschlichen Bereich, die Atmosphäre, etc. nicht erkennt. (Ich rede hier v.a. von der einen Hälfte der Menschheit, nicht pauschalisierend.)
Problematisch würde es nur, wenn ich zusätzlich zur Blindheit auch noch taubstumm wäre. Aber auch das wäre nicht existenzgefährdend - ich könnte immer noch per Berührung mit der Außenwelt kommunizieren. Der Tastsinn hätte damit sogar noch eine ganz besondere Bedeutung - bzw. diese Bedeutung würde wieder offensichtlich. (Während als Sehender die fehlende Berührung durch alle möglichen anderen Eindrücke kompensiert, oder zumindest überdeckt wird. Als Sehender ist man sich dessen daher nicht immer bewusst, wie wichtig der Tastsinn ist; einige Sehende würden sicherlich sogar sagen, sie könnten auf den Tastsinn verzichten, bräuchten keine Berührungen womit auch immer - aber stimmt das wirklich, genau betrachtet?)
Also: Worauf ich letztlich am wenigsten verzichten könnte, das ist der Tastsinn. Wenn ich nicht mehr mit dem - nicht nur in Quadratzentimetern gemessen - größten Sinnesorgan fühlen könnte, dann wäre es, als wäre ich tot.
Vielleicht könnte ich diesen Sinn, wenn ich blind wäre, sogar noch mehr genießen. (?) Und auch unangenehmere Wahrnehmungen mit diesem Sinn, die sich nicht vermeiden lassen, besser aushalten. (Was allerdings auch nicht bedeutet, ich würde mich dann freiwillig wie ein Fakir auf eine Unterlage aus Nägeln legen. )


* Das sind allgemeine Gedanken, die mir dazu kamen, und die ich einfach mal runtergeschrieben habe. Es bestehen also keinerlei Bezüge zu meiner derzeitigen Lebenssituation - mir geht es gut. Ich bin mit mir selbst im Reinen, und ich hoffe, das kommt auch so rüber.

Karin 10.05.2008, 23.12

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Kommentare zu diesem Beitrag

3. von Ocean

Huhu liebe Karin :) :)

wieder ein sehr interessantes vielschichtiges Thema bei dir .. ein paar Gedanken dazu:

Vor Lücken im Tagesablauf habe ich keine Angst - und ich käm auch nicht auf die Idee, sie zwanghaft auffüllen zu müssen - im Gegenteil - ich bin immer froh um ruhige Momente, in denen ich ein bisschen abschalten und einfach zulassen kann, daß sich Ruhe in mir breit macht.

Gleichzeitig ist Langeweile für mich seit Jahren ein Fremdwort ... kann mit dem Begriff absolut nichts anfangen.

Die Sinne -

als erstes fiel mir dazu ein, daß ich auf den Geschmacks- bzw. Geruchsssinn verzichten würde ;) oder ist der nicht wichtig genug? Klar - das Sehen, Hören und Fühlen - diese sind bedeutender. Wenn ich nur an diese drei denke - ich könnte am allerwenigsten auf das Sehen verzichten, glaube ich, als nächstes das Hören und als letztes das Fühlen.

Aber das ist rein theoretische Überlegung - wie es in der Praxis wäre, bleibt dahingestellt ... hoffen wir, daß keiner von uns dies erleiden muß in irgendeiner Form.

Etwas vom Thema weg .. aber das fällt mir gerade noch ein - am schlimmsten find ich, wenn jemand geistig und emotional voll da ist - und der Körper nicht mehr mitmacht ... das seh ich grad bei jemandem, und es ist so belastend für ihn. Er kann es schlecht akzeptieren - was ich absolut verstehen kann - ich glaub nicht, daß ich es könnte - diesen Verlust der Kraft des ganzen Körpers, aber dein Fühlen und Denken ist noch voll da, die Wünsche, die Bedürfnisse .. lassen sich aber immer weniger realisieren.

Dir ganz liebe Grüße und ein Dankeschön für deine Denkanstöße :)

Ocean

vom 19.05.2008, 12.55
2. von angela

Schön geschrieben. Da hab ich ja gleich ein neues Thema bei dir gefunden.

vom 16.05.2008, 15.39
1. von irgendlink

Inspirierend. Ich war mal in einer Unsichtbar, einem völlig dunklen Cafe. Erstaunlich, wie sich das Gehör verbessert.
Zu Täuschungen: ob es wohl auch akustische oder olfaktorische Täuschungen gibt?
Ich will natürlich auf keinen Sinn verzichten. Wenn es denn einer sein müsste hmm, kann ich nicht entscheiden, ich würde es also dem Schicksal überlassen. Kann man den Tastsinn überhaupt ganz verlieren?
Liebgrüß
Jürgen

vom 14.05.2008, 01.48
Antwort von Karin:

Ob es auch olfaktorische oder akustische Täuschungen gibt, weiß ich nicht. Aber gute Frage! Vielleicht können sich Ohr und Nase nicht täuschen? Wenn ja, warum? Wäre das womöglich evolutionär bedingt (der Steinzeitmensch musste ja schließlich den Feind und die Beute riechen können - im ersteren Fall wäre es doch u.U. fatal gewesen, wenn er sich da getäuscht hätte)? Das sind nur weitergehende Spekulationen von mir.
Auch, ob man den Tastsinn GANZ, das heißt am ganzen Körper, verlieren kann, weiß ich nicht. Ich könnte es mir aber durchaus vorstellen, dass es möglich ist, dass die Haut am ganzen Körper, d.h. nicht nur partiell "taub" werden könnte. Für mich wäre das allerdings das Grusligste überhaupt...
Ich bin jedenfalls auch froh, dass ich noch alle fünf (oder mehr?) Sinne beisammen habe.

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