Scherben bringen Glück? Denkste! In Wirklichkeit ist es genau umgekehrt.
Es begann zwar nicht mit meinem im übrigen sehr angenehmen Karsamstagseinkauf, aber es endete auch nicht damit.
Dank verschiedener überaus positiver Ereignisse, die mir mein Leben längst überfälligerweise beschert hatte, befand ich mich in einer sehr fröhlichen Grundstimmung. Sogar der Einkauf im Supermarkt, den ich tätigte, weil ich nicht darauf vertrauen konnte, dass mein Vater trotz Einkaufszettels an alles dachte, und andererseits, weil ich noch ein paar Dinge für mich sowie zwei Ostergeschenke besorgen wollte - ja, sogar dieser Supermarktaufenthalt machte mir mit diesem neuen Lebensgefühl im Herzen durchaus Spaß.
In der Blumenecke unterhielt ich mich mindestens zehn Minuten lang mit einer älteren Dame, die ich nicht kannte und die so wie ich der Meinung war, dass die gelb-grünen Ostertöpfe viel zu überteuert seien, über dies und das.
Eine ganze Weile schwirrte ich dann um die Abteilung mit den Osternaschereien herum, war unschlüssig und sah schließlich überhaupt nicht ein, wieso ich mein Geld für so einen Goldhasen von Lindt oder dergleichen ausgeben sollte. Ich bin doch kein Goldkackerchen! An einem besonders dekorativen Schokohasen im geschäftlichen Overall und mit einem eiförmigen Handy in der Hand konnte ich aber doch nicht vorbeigehen. Zum Selberessen wäre der zwar zu schade, aber ich hatte prompt eine Idee, welche Menschen sich darüber freuen könnten. Das waren mir die 2,49 € schon wert.
Nachdem ich bezahlt und die Waren irgendwie auf meinem Fahrrad verstaut habe (die Tüte auf dem Gepäckträger quillt fast über, und es ist schwer, das buckelige Bündel richtig daraufzuklemmen, die zweite Tüte überm Lenker ziemlich leer, da zu viel Belastung das Gleichgewicht des Drahtesels gefährlich stören könnte), beginne ich meinen Rückweg zu Fuß durch die Fußgängerzone (zum Aufsteigen ist noch zu viel los).
An der Bordsteinkante, die über eine Querstraße Richtung Postgebäude führt, passiert schließlich das Unvermeidliche: Aus der prall gefüllten Plastiktüte rutscht erst eine Weinflasche (ein spanischer Trockener), den ich als Geschenk vorgesehen hatte für meine Verwandten, die sich zur Zeit noch im Urlaub befinden, heraus, dicht gefolgt von einer Müllermilch Kokos, die sich auf der anderen Straßenseite (es ist eine schmale Straße) weißgrünlich über den Asphalt ergießt.
Ehe ich dazu gekommen bin, das bepackte Fahrrad mit dabei und vor der Vitrine stets im Blick, zur benachbarten Eisdiele zu eilen, um mir einen Besen mit Schüppe zu borgen (statt dem Besen bekomme ich einen Handfeger), fahren bereits mehrere Autos über die Bescherung oder versuchen auszuweichen, und die Leute blicken sich um, manche tuschelnd und ein Kind eine laute Bemerkung von sich gebend.
Wenigstens wird die Tatsache, dass ich, verantwortungsbewusst wie ich bin, den von mir selbst veranstalteten Mist sofort beseitigt habe, von einem Passanten mit einem »Fleißig. fleißig!« gewürdigt.
Nun habe ich mir aber einen Eiskaffee verdient. Kurz darauf gesellt sich mein Vater dazu. Da es draußen etwas frisch wird, trinken wir unseren bestellten Kaffee im Innern.
Wieder zu Hause und alles eingeräumt, bastle ich noch an einer schwierig zu formulierenden Email herum, auf die ich noch am selben Tag die Antwort bekomme, und mache mich fertig, wieder auf die Reise zu gehen. Diesmal nach Köln, wo ich noch mit einer Freundin zum Essen verabredet bin. Wir lassen es uns schmecken, unterhalten uns und stöbern in einem Taschenladen. Zufrieden, wenn auch etwas enttäuscht über die Kürze des Treffens, lese ich im Zug den Krimi weiter.
Als ich zu Hause am PC sitze und meine Mails bearbeite, kommt er, der Anruf, der vieles in einen Scherbenhaufen verwandeln wird.
Obwohl es wohl nicht die wertvolle Porzellanvase war, für die ich es gehalten hatte, ging etwas unwiederbringlich zu Bruch. Ja, ich habe geweint, aber um ihn und nicht um mich.
Natürlich werde ich die Scherben aufbewahren, als Andenken, als Mahnung und Erinnerung. Und es spiegelt sich auch ein Licht darin, wenngleich es ein anderes, untrüglicheres ist als das, was ich vorher darin gesehen habe.
Und ich werde es leuchten lassen, das Licht der Freundschaft, damit sich niemand weh tut an den scharfen Kanten, die das Leben übrig gelassen hat.
(c) Karin Scherbart