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Hier, da, dort und jetzt - Gedankenreisen

In fünf Tagen werde ich also weg sein. Beziehungsweise bin da, aber eben nicht hier.
Wie oft ist es genau umgekehrt: Momente, wo ich körperlich zwar hier, mit den Gedanken aber ganz woanders war (zum Beispiel dort).
In Gedanken kann ich überall sein - sogar an mehreren Orten gleichzeitig. Manchmal ganz bewusst und freiwillig, oftmals gehen die Gedanken aber auch ganz automatisch auf die Reise, ohne dass ich etwas dazu beisteuern müsste.
Solche Gedankenreisen sind natürlich etwas Wunderbares.
Aber noch schöner ist es doch, seinen Gedanken hinterherzureisen bzw. sich darauf zu freuen, endlich mal wieder den Ort aufzusuchen, wohin diese Gedanken in der Zwischenzeit so oft geschweift sind; je näher der Zeitpunkt rückt, desto stärker zieht dieser Ort meine Gedanken an wie einen Magneten. Alle Unsicherheiten, die zwischenzeitlich aufgetaucht sein mögen, so wie man sich in der Distanz eben häufig mehr Gedanken macht, sind unwichtig geworden, und im Übrigen alle bereits durchgekaut und überwunden. Was im Moment am meisten zählt und im Vordergrund steht, ist das, was mir bevorsteht. Über alles weitere kann ich mir immer noch im nächsten Jahr (=nach meiner Rückkehr) Gedanken machen. Wie's weitergeht usw.
Meine Güte - wie lange haben wir uns jetzt schon nicht gesehen? Fast 5 (in Worten: fünf!) Monate... Mir kommt es vor, als wäre es eine Ewigkeit. Na gut, in fünf Monaten wird sich ja nicht so viel verändert haben - die Menschen sind die selben geblieben, nur ist es eben jetzt Winter und die Bäume nicht mehr grün. Die allgemeine Atmosphäre wird also eine andere sein - inwiefern wirkt sich diese auf die Menschen dort aus? Vielleicht ist es weniger hitzig - offen sind sie ja dort sowieso - und schafft dies Raum für noch mehr menschliche Wärme? Jedenfalls bin ich gespannt und neugierig. So sehr mir diese eben beschriebene Vorstellung gefällt - ich ziehe es vor, es einfach auf mich zukommen und mich überraschen zu lassen, wie es wirklich ist.
Das Reich der Phantasie mag zwar ein schönes Land sein - aber manchmal ist es besser, der Realität ins Auge zu sehen und diese Augenblicke ganz bewusst auf sich wirken zu lassen. Ich bin überzeugt, die Realität kann etwas sehr Spannendes sein, wenn man sie an sich heranlässt. Manchmal auch spannend im doppelten Sinne - aber so ist das Leben.
Wenn man hingegen zeitweilig von einem Menschen getrennt ist, dann ist man natürlich auf diese Gedankenreisen angewiesen, um die Erinnerungen und damit verbundenen Emotionen aufrecht zu erhalten. Man kann sie mithilfe von Gegenständen, Bildern oder Musik stimulieren - doch manchmal sind die Erinnerungen auch so lebendig, dass sie wie ein interaktiver Film, den man sich immer wieder anschauen kann, vor der geistigen Leinwand ablaufen.
Ich kann also zur gleichen Zeit hier (körperlich), dort (wohin auch immer meine Gedanken mich hinleiten, auch zu fiktiven "Orten" oder nirgendwo über mentalen Gewässern schwebend) und auch noch da sein (zum Beispiel wenn ich an einen Menschen denke)*. Nebenbei kann ich auch noch im Internet sein (wir reden ja so darüber, als wäre auch das ein Ort: Wir befinden uns gerade IM Internet, nicht auf dem Internet, außerhalb oder was auch immer) und mich mittels diesem durch die ganze Welt und sämtliche Nicht-Welten bewegen.
Es gibt mehrere Da's und Dort's, aber nur ein Hier und ein Jetzt (obwohl WANN jetzt genau ist, variiert: In Kalifornien ist es JETZT zu diesem Zeitpunkt 13:58, während es in Japan bereits 06:58 Uhr MORGEN ist und in der Milchstraße, die wir jetzt sehen, viele viele Jahre früher) gibt. Auch wie sich dieses Jetzt gestaltet, ist unterschiedlich: Am westlichsten Zipfel Europas war es heute Abend zur selben Uhrzeit wahrscheinlich einige Minuten länger hell als hier.
Fazit: Das einzige, was konstant ist (so unterschiedlich es auch je nach Perspektive erlebt wird), ist das jeweilige Jetzt. Und es verändert sich ständig - auch ohne unser Zutun. Gleich wird es schon vergangen sein und Platz machen für den nächsten Moment, der neue Möglichkeiten in sich birgt. Wir leben immer in einem Moment. Er ist es, in dem sich alles entscheidet, und in dem sich durch unser Zutun etwas verändern kann. Das einzige, was wir in der Hand haben, ist der Moment. Und dies ist zugleich das Mächtigste.
In diesem Moment besteht meine Macht darin, Worte aufgeschrieben zu haben. Worte, in einen noch luftleeren Raum geschrieben, und deren Wirkung ich jetzt noch nicht absehen kann. Aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken. Es wird sich zeigen.


Fußnote:

* Schon oft habe ich mir die Frage gestellt, ob ein Mensch es - auch aus der Entfernung -  spüren kann, wenn man an ihn denkt. Manchmal scheint es mir so. Es mag seltsam klingen, und vielleicht spürt der andere es nicht bewusst - aber vielleicht kommt doch irgend auf irgendeine Weise etwas "an"... Jedenfalls ist es eine schöne Vorstellung. Natürlich kann das bloße Denken an eine Person nicht vollständig den richtigen Kontakt ersetzen - aber für den Moment hat das etwas Tröstliches, das eventuell auch schlechtes Gewissen vorübergehend mildern kann.

Karin 15.12.2007, 23.25

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Kommentare zu diesem Beitrag

1. von angela

Ich denke an Dich und wünsche dir ein ganz ganz tolles 2008. Lass es Dir gut gehen.

vom 06.01.2008, 07.49
Antwort von Karin:

Danke. Nun ja, mal sehen, was das Jahr so bringt. Hoffentlich sicherlich einiges Positive. 
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