Ja, ja, ich weiß: Eigentlich bekommen wir sie nicht "geschenkt",
sondern kriegen nur das zurück, was man uns einige Monate zuvor wie
jedes Jahr weggenommen hat...
Und trotzdem kann ich nicht umhin, es als Geschenk zu empfinden. Ich
WILL diese geschenkte Stunde als Geschenk empfinden! Und genau so sehe
ich sie auch an.
Mal ganz davon abgesehen, dass es - nachdem wir uns erst einmal an
diese künstliche Zeit gewöhnt hatten, die uns eine Stunde "länger"
Tageslicht (aber auch u.U. zeitweise ein morgendliches Erwachen ohne
Sonne!) bescherte - immer noch eine Umstellung bleibt: Es tut gut, sich
vorzustellen, ein Mal im Jahr eine zusätzliche Stunde zur Verfügung zu
haben, die man so ausfüllen kann, wie man es will.
Natürlich sollte das nicht die einzige Stunde sein - das wäre ein
trauriges Leben, wenn dem so wäre - aber sie kann ein Beispiel sein.
Ein Symbol dafür, was wäre, wenn man sich jeden Tag so eine Stunde
(oder zumindest einen Moment) gönnen würde. Unabhängig, ob es nun ein
Moment Zeit ist, den man sich morgens am Frühstückstisch nimmt, um sich
auf den Tag einzustellen; oder abends nach getaner Arbeit eine Stunde
Ruhe, etwa bei einem guten Buch oder (für andere) einem
herzerfrischenden Gespräch bei einer Tasse Tee.
Und dann, wenn man sich das einmal vergegenwärtigt hat, kann diese
geschenkte Stunde auch eine Einladung sein, dies auch bewusst in die
Tat umzusetzen.
Viele Leute sehen jetzt nur das Negative an dieser Umstellung von
Sommer- auf Winterzeit. Das sind meist dieselben, die bei der
Umstellung von Winter- auf Sommerzeit über das Gegenteil jammern und
dann genau die Dinge sehen, die sich DABEI negativ auswirken.
Man kann über diese un-natürliche Erfindung irgendwelcher Menschen (sei
es nun aus kommerziellen oder anderen Gründen) schimpfen, die den
natürlichen Biorhythmus durcheinander bringen. Selbstverständlich ist
das nicht zu leugnen.
Aber da aus unerfindlichen Gründen trotz dieser Einwände keine
Anzeichen zu erkennen sind, dass die Sommerzeit in den nächsten
Jahrzehnten abgeschafft wird, müssen wir sie wohl akzeptieren und mit
ihr leben. Wenn wir versuchen, sie zu ignorieren und nur nach unserer
eigenen inneren Zeit (nicht zu verwechseln mit DER inneren Uhr, der man
immer Beachtung schenken sollte - hier meine ich lediglich die äußere
Zeit) leben, dann stoßen wir spätestens dann in der Gesellschaft auf
Schwierigkeiten, wenn es irgendeinen Termin einzuhalten gilt. Man kann
schließlich nicht sagen: "Tut mir Leid, dass ich laut Sommerzeit eine
Stunde zu spät bin, aber auf meiner Uhr ist es erst X Uhr. Eigentlich
bin ich also pünktlich." Das würde nur auf allgemeines Unverständnis
stoßen.
Wir sind also dazu angehalten, unsere Zeit nach dieser künstlichen Zeit
auszurichten, um in dieser Gesellschaft die Dinge, die in unserem
täglichen Leben auftauchen, zu planen. Aus diesem Grund tun wir
sicherlich auch gar nicht so schlecht daran, unsere Einstellung
gegenüber dieser Zeitumstellung positiv zu gestalten. Andererseits tun
wir uns selbst nicht unbedingt etwas Gutes.
In Wahrheit ist die Zeit nämlich nicht von sich aus unsere Feindin,
sondern eine Freundin! Wir machen sie uns nur - auf Dauer - zum Feind,
indem wir gegen sie ankämpfen. Doch je mehr wir kämpfen, und je mehr
wir sogar versuchen, sie totzuschlagen, umso härter wird sie irgendwann
zurückschlagen.
Seien wir also der Zeit gegenüber freundlich gesinnt. Freuen wir uns
daran, dass sie bei uns ist und uns niemals im Stich lässt. Wenn wir
doch einmal das Gefühl haben, sie läuft uns davon oder rinnt uns
zwischen die Finger wie feiner Sand, dann ist es nicht ihre Schuld. Wir
sind es, die davonlaufen - oder umgekehrt Angst davor haben, sie gehen
zu lassen. Dann muss man sich halt ernsthaft fragen, warum das so ist.
Und nicht der vermeintlich Anderen, der Zeit, die Verantwortung dafür
in die Schuhe schieben.
Die Zeit ist eigentlich nicht "die Andere". Sie ist in uns. Deshalb müssen wir auch wirklich lernen, damit umzugehen. Mit
unserer
Zeit, der Lebenszeit, die wir haben - aber auch mit der messbaren
äußeren Zeit, mit der sie in Harmonie stehen sollte, damit wir in der
Welt da draußen zurechtkommen.
Und schließlich: Weil unsere beste Freundin, die Zeit, in uns ist,
sollten wir ebenfalls Sorge dafür tragen, dass wir uns selbst lieben.
Denn wenn wir uns selbst lieben, können wir auch
diesen Teil in uns lieben: Unsere Zeit. Die innere Uhr.
Wenn wir erst die Zeit in uns lieben, dann wird sie uns auch
zurücklieben. Und nicht wie eine eifersüchtige Geliebte versuchen, uns
das Leben zur Hölle zu machen, weil wir uns mal wieder mit allem
Möglichen befassen, um ihr zu entkommen - nur eben nicht mit ihr. Nicht
mit uns.
Wie auch immer Ihr mit dieser geschenkten Stunde umgeht, und was auch
immer sie Euch hoffentlich Schönes bescheren mag: Ich wünsche Euch,
dass Ihr sie lieben könnt. Und somit auch Euch. Amen.