Ausgewählter Beitrag

Canis Lupus

Wenn dieser Beitrag erscheint, werde ich gerade dort gerade einen schönen Tag bei hoffentlich gutem Wetter verleben. Ob es dort auch Wölfe gibt, weiß ich nicht. Doch sicherlich werde ich einige schöne Tierfotos von dort mitbringen.
Damit es Euch zwischenzeitlich nicht langweilig hier wird, habe ich eine kleine, selbst geschriebene Geschichte für Euch. Anlass dafür -> siehe die Links unten. Ich wollte eben einfach darauf aufmerksam machen.



Wolfswinter


In einer klaren Wintermondnacht wagte sich Lupus zum ersten Mal in die kleine Menschensiedlung, die wie hingetupft in die weite, schneebedeckte Landschaft der Lausitz eingebettet war. Es war die einzige Ansiedlung im Umkreis vieler, vieler Pfotenschritte.

Da das nächste Dorf so fern war, dass der Wolf sie erst erreichen würde, wenn die große weiße Scheibe längst hinterm Horizont verschwunden wäre, entschloss er sich, hier nach etwas Nahrhaftem zu suchen, um seinen Hunger zu stillen. Denn wenn er erst noch meilenweit gehen würde, würde der Hunger am Ziel seines Weges so riesig sein, dass er gleich ein ganzes Schaf verschlingen könnte. Damit würde er den Menschen nur einen Grund an die Hand geben, ihren Zorn auf ihn, der überhaupt kein Interesse daran hatte, ihnen auch nur ein Haar zu krümmen, zu schüren. Darauf legte er nun wirklich keinen Wert.

Seit eine Gruppe von Zweibeinern mit diesen tödliche Feuerkugeln speienden Stöcken eine Hetzjagd auf einige seiner Gefährten des Rudels veranstaltet hatten, dem er sich angeschlossen hate, als er in diesem Revier eine Heimat gefunden hatte – seitdem sie seinen Kameraden in Folge dieses qualvollen Vorspiels umgebracht hatten, war er sehr vorsichtig geworden, was die Menschen betraf.

Doch manchmal – wie jetzt zum Beispiel – ließ es sich eben nicht vermeiden. Fleischliche Nahrung fand sich um diese Zeit kaum in der freien Natur, und das, was ihm lebend in Witterungsnähe seiner scharfen Nase herumlief und sprang, war zumeist so schwer optisch anzupeilen und machte nie vollständig satt. Also blieb ihm kaum etwas anderes übrig, als zusätzlich in den Abfällen der Menschen – und ab und zu auch aus dem Viehbestand – nach etwas für ihn Essbarem zu suchen.

Im Grunde erschien ihm das auch nur gerecht – hatte es die Natur doch ursprünglich so vorgesehen, das genug für alle da war, ohne dass etwa eine Art zu viel erhalten sollte. Das, was die Menschen hingegen machten, war eben gerade dies: Ihr Bestreben ging dahin, dass sie so viel wie möglich vom Kuchen für sich selbst rafften, und zwar ein Vielfaches mehr, als sie und ihre Sippen zum Überleben brauchten.

Nie hatte Lupus begreifen können, warum sie das taten, wenn sie am Ende sowieso das Meiste wieder wegwarfen, sobald sie feststellten, dass sie es nicht mehr benötigten. Jedes Mal wunderte er sich darüber, wenn er in ihren Mülltonnen wühlte, weil ein ausgezeichnetes Riechorgan den Geruch von oft mittelprächtigen, aber unverdorbenen und somit einwandfreien Fleischresten aufgenommen hatte.

Doch wenn er auch diese rosahäutigen Wesen niemals verstehen würde, so lag es ihm fern, sich freiwillig mehr als nötig mit ihnen anzulegen. Nichtsdestotrotz sah er es als sein naturgegebenes Recht, seinen lebensnotwendigen Teil einzufordern, den die Menschen – egoistisch wie sie waren – an sich gerissen hatten, obwohl sie ohnehin bereits im Überfluss lebten.

Mein Gott, es gibt in diesem Garten Eden genug für alle, um satt zu werden! Sollen diese überheblichen Geschöpfe sich nicht so anstellen und ein wenig teilen!

Nein, Lupus grollte den Menschen nicht, wirklich nicht. Es wollte gut mit ihnen auskommen, immerhin kreuzten sich seine Wege häufig mit ihrem Lebensraum, und manchmal – wie jetzt im Winter – kam ihm das sogar zugute. Nur ab und zu machte es ihn jedoch in der Tat etwas zerknirscht, wenn er an sie und ihr rätselhaftes Verhalten gegenüber dem Rest der Schöpfung dachte.

Er respektierte sie – nicht selten fürchtete er sie – warum aber waren sie offenbar nicht in der Lage, auch ihm ein bisschen Respekt gegenüberzubringen? Klar hatten auch sie eine gewisse Angst vor ihm; jedoch schien ihre Angst eine andere zu sein als die seine. Sie war dramatisch, märchenhaft und hätte sich selbst der Lächerlichkeit preisgegeben, wäre sie nicht so verletzend für ihn. In Wahrheit richtete sich ihre Furcht nicht an ihn, den lebenden Wolf, noch an eine konkrete Gefahrensituation. Somit war sie künstlich. So wie überhaupt vieles beim Menschen, so hatte er zumindest den Eindruck.

Womöglich lag das daran, dass sie sich im Laufe der Jahrhunderte so weit von ihren Wurzeln entfernt hatten.


Inzwischen hatte sich Lupus auf leisen Pfoten an einen Hof herangepirscht, von dem er eine Meute Hühner hatte gackern hören. Da aus den Abfällen nichts Schmackhaftes in seine feinen Nüstern gestiegen war, und er außerdem das Gefühl hatte, sich irgendwie abreagieren zu müssen, hatte er beschlossen, sich heute nach langer Zeit mal wieder eine leckere Geflügelmahlzeit zu verschaffen, um danach schnell wie der Wind mit der Beute an einen sicheren, ungestörten Ort zu fliehen.

Dies gelang ihm. Nachdem er das Federvieh genüsslich verputzt und die Überreste fein säuberlich auf einem Haufen im Schnee liegen gelassen hatte (spätestens beim nächsten Schneegestöber würde dieser unter einer weißen Decke verschwinden), hinterließ er noch seinen Artgenossen eine dufte Nachricht am nahe gelegenen Baum:

„Hallo Freunde, ich war hier. Habe ein Huhn vom Hof nebenan verspeist. Ihr könnt es von hier aus sehen. Das war köstlich, sage ich Euch! Ein Geheimtipp. PS: So weit ich das erschnuppern kann, soll sich das gute Wetter noch ein paar Tage halten. Schönen Gruß, Lupus.“

Dies in etwa teilte er ihnen, die dort auf ihrem Weg vorbeikommen mochten, mit. Eine Routineangelegenheit, denn es war wichtig, dass die Wölfe miteinander kommunizierten. Nicht nur aus praktischen Gründen. Sondern auch aus psychologischen: Auch wenn ein Wolf gerade allein unterwegs war, fühlte er sich auf diese Weise niemals einsam. Und es gab ihm noch mehr Selbstsicherheit: Das bestärkende Gefühl, dass viele hinter ihm standen und in der Not für ihn da sein würden, wenn es mal brennen sollte.

Er brauchte das. Schließlich war er immer noch – so sehr er die Eigenständigkeit auf seinen solitären Wegstrecken schätzte – ein Rudeltier, das es früher oder später doch immer wieder zu den anderen zurückzog. Spätestens zur Paarungszeit...


Bis dahin musste er zunächst einmal den Winter überstehen. Wie still lagen die Felder doch da...

Auf Lupus wirkten sie wie eine freundliche Einladung, über sie hinweg im dunklen, traumhaft verschneiten Wald dahinter unterzutauchen, wo er sicherlich kurz vor der Morgendämmerung einen Unterschlupf zum Schlafen finden würde. Leichtfüßig trippelte er über die Wiese, während der Schnee unter seinen Pfoten im Mondschein glitzerte und gerade genug unter ihnen nachgab, um die Konturen ihrer Spuren darauf abzuzeichnen, so dass ein wundervolles Naturgemälde entstand – nur war niemand da, der es betrachten und auf seine Netzhaut bannen konnte.

Vielleicht war es auch besser so. Jedenfalls besser, als wenn ein Beobachter beim Betreten dieses Schnee-Fuß-Kunstwerkes zugleich dieses in seiner jetzigen, einmaligen Form zerstört hätte.


© Karin Scherbart



Wolfsregion Lausitz - Hintergründe

Wissenswertes über Wölfe

Karin 21.04.2007, 11.00

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Kommentare zu diesem Beitrag

4. von Diane

Liebe Karin,
das ist Talia:
Hier klicken
Sie ist rechts im Blog in dem Menue, das leider etwas unsortiert ist mangels Zeit und der komplizierten zeitaufwändigen Handhabung bei MyBlog.

Alles Liebe
Diane

- Die Rote Kastanien in Deinem Header sieht übrigens sehr schön aus! :smile: - Hier blühen sie auch gerade!

vom 01.05.2007, 20.34
Antwort von Karin:

Schön, dass mein Headerbild gefällt. :-) Ich fand es einfach passend - und zu schön, um ihn auf der Festplatte "vergammeln" zu lassen. Den ganzen Baum kann man übrigens hier betrachten.
3. von Diane

Hi Karin,
danke, das war ein sehr schönes Wochenende! Ich hoffe und denke, bei Dir auch.
Das mit den Wölfen ist eine interessante Geschichte! Und bei Mrs. Talia dürftest Du Dir einen (Blog-)Wolfsnamen aussuchen :twink:
Jetzt muss ich erstmal alle Comments vom Wochenende beantworten und später lese ich Deine selbst verfasste Geschichte noch.

Liebe Gruesse :smile:
Diane


vom 23.04.2007, 18.26
Antwort von Karin:

Mrs. Talia kenne ich nicht, und ich habe sie auch nicht in Deinen Bloglinks gefunden. Na ja, egal. 
Doch, bei mir war es ein sehr schönes Wochenende, danke der Nachfrage.

2. von Falk

Deine Geschichte lese ich mir mal in Ruhe durch :twink:

Ich wollt nur mal kurz fragen, was Du von "unseren" Lausitzer Wölfen willst :blinky:

Ich hoffe, Du hattest einen schönen Zoobesuch... im Tierpark war ich ja nicht in Nürnberg...

LG,
Falk

vom 23.04.2007, 11.33
Antwort von Karin:

Stimmt. Sofern Du Dich nicht von Mr. Worf in Mr. WOLF verwandelt haben solltest... *fg* (Es gab dort nämlich auch Wölfe - wenn auch leider eingesperrte Wölfe).
Was die Lausitzer Wölfe betrifft: Ich stieß vor einigen Wochen auf einen Artikel darüber, wodurch ich auf diese Problematik aufmerksam wurde. Ganz einfach.

1. von Irmgard

Hallo Karin,
ich habe deine Geschichte gelesen und finde, du hast dich gut eingefühlt in dieses Lebewesen, vor dem viele Menschen sich so fürchten. Vielleicht auch, weil der Wolf auch in den Märchen verewigt wurde und da als böse dargestellt wurde!?
Ich finde es gut, wenn der Wolf und andere Wildtiere wieder angesiedelt werden. Ich finde ihn faszinierend. Tiere, die ihre Wildheit erhalten haben, faszinierten mich schon immer. Vielleicht liebe ich deswegen die Katzen so sehr, denn die haben noch so viel Wildes und Ursprüngliches in sich, dass ich eine große Freude an ihnen habe.
Du warst gestern oder bist heute im Tierpark Nürnberg? - Da wollte ich auch mal wieder hin. Ich habe ja wirklich nicht weit. Nürnberg liegt ja nur eine gute Stunde von hier entfernt. Ich war schon oft in diesem Tierpark, vor allem, als ich in Nürnberg und Nähe Nürnberg wohnte. Er ist sehr schön angelegt mit viel Grün.
Dir wünsche ich noch einen schönen sonnigen Sonntag - liebe Grüße, Irmgard :blumbär:

vom 22.04.2007, 13.31
Antwort von Karin:

Von mir ist Nürnberg schon ein "Stückchen" hin. Etwa sechs Autostunden, wenn man auf direktem Weg dorthin fährt. Deshalb habe ich ja auch gleich dort übernachtet - also nicht im Tierpark! Dafür habe ich aber auch noch etwas von der Stadt gesehen... so wunderschön und vor Allem fotogen! Nur, da ich erst am Abend Gelegenheit zum Stadtrundgang hatte, habe ich nur Nachtaufnahmen, von denen mit meiner Kamera nicht alle etwas geworden sind.
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