Es ist zwar mittlerweile schon mindestens anderthalb Monate her, dass ich dieses Buch der Autors mit dem Pseudonym Mo Yan gelesen habe, aber das hindert mich nicht daran, ihn auch für Euch hier im Blog zu rezensieren. Zumal er sich lohnt.
Klappentext:
„Die Bauern in Gaomi erwarten die
alljährliche Knoblauchernte – doch zum Verkauf der Knollen kommt es
nicht. Die Gemeinde weigert sich, den Knoblauch abzunehmen: Es gibt
einfach zu viel in diesem Jahr. Statt des würzig-herben Dufts legt sich
erstickender Modergeruch über die Dörfer. Die schlicht falschen
Planungen der Behörden bedrohen die Existenz der Bevölkerung. In ihrer
unbändigen Wut revoltieren die Bauern gegen die erbarmungslose und
korrupte Bürokratie.“
Also ein Buch, welches das chinesische
Staatssystem und die kommunistische Wirtschaft kritisiert, geschrieben
von einem Autor, dessen Familie sicherlich ebenfalls darunter leiden
musste / muss.
Eigene Inhaltsangabe:
Wir schreiben das Jahr 1987. Die Bauern von Gaomi haben ihre Ernte eingefahren – hauptsächlich Knoblauch, weil die Gemeinde den Anbau vor Allem auf den Knoblauchanbau ausgelegt hat. Das Problem: Nun gibt es weit mehr Knoblauch, als es Abnehmer dafür gibt. Zugleich hängt aber der Lebensunterhalt der Bauern maßgeblich davon ab, dass sie ihren Knoblauch verkauft bekommen. Schon früh morgens machen sie sich mit ihrer Ware auf den Weg zu den Lagern. Die Schlange wird immer länger, zugleich geht es aber kaum vorwärts. Als Gao Yang und Jinjüs Vater schließlich dort ankommen, heißt es nur, dass kein Knoblauch mehr angenommen wird. Viele Bauern haben also den ganzen Tag umsonst – teilweise in der Hitze – gewartet. Kein Wunder also, dass die Menschen wütend sind. Und so gibt es einen Aufstand. Obwohl Gao Yang nur einer der Anwesenden, jedoch kein Anstifter war, ist er einer derjenigen, die später zu Hause im Dorf festgenommen wird. Ebenso „Tante Vier“, Jinjüs Mutter, sowie noch ein anderer. Zuerst werden sie an einen Baum gefesselt, wo sie einen ganzen Tag in der Hitze ausharren müssen, danach werden sie jeweils getrennt ins Gefängnis gebracht, wo sie zusammen mit (teils schweren) Verbrechern in Zellen gesperrt werden. Es gibt keinerlei Prozess, und es bleibt unklar, was genau ihnen vorgeworfen wird. Auch haben sie keinen Kontakt zu ihren Familienangehörigen, die somit auch nicht wissen, wo sie sich aufhalten (Gao Yang sorgt sich deshalb unter anderem um seine blinde Tochter, die er zurücklassen musste). In dem Gefängnis herrschen katastrophale, unhygienische und menschenunwürdige Verhältnisse.
Im Verlauf der Geschichte erfährt man immer mehr über die Vergangenheit. In den Rückblenden wird beispielsweise die tragische Liebesgeschichte zwischen Jinjü und Gao Ma erzählt. Ihre Eltern wollten sie nämlich an einen anderen verheiraten, damit im Gegenzug ihr Bruder eine Frau bekommt. Da er seit seiner Kindheit hinkt, sieht die Familie Fang das als einzige Möglichkeit, ihn unter die Haube zu bringen. Vor diesem Hintergrund – weil ihre Tochter (übrigens gegen ihren eigenen Willen) bereits einem anderen versprochen wurde – sind die Eltern also gegen die Beziehung mit Gao Ma. Nachdem Jinjü von ihren Brüdern verprügelt wurde, um ihren Willen zu brechen versuchen, haut sie mit Gao Ma ab. Zunächst sieht es auch so aus, als ob sie es schaffen würden, obwohl die Brüder sie verfolgen... Nun, ob die beiden jemals glücklich werden und wie sich das Schicksal wendet, lest Ihr besser selber nach. Seid lediglich vorgewarnt, dass es nicht gerade eine lustige Geschichte ist. Was ja auch nicht zum Hauptthema des Buches passen würde.
Ich denke, das sind die beiden wichtigsten Handlungsstränge.
Meine Rezension:
Wie schon angedeutet ist dieser Roman nicht chronologisch aufgebaut, sondern so, dass sich die Puzzleteile des Geschehens nach und nach zusammenfügen. Die Szenen wechseln pro Kapitel ab. Man weiß jedoch stets, ob sie sich jeweils in der Gegenwart abspielen oder ob es sich um eine Rückblende handelt (und wenn ja, welche). Zusätzlich beginnt jedes Kapitel mit einem Auszug aus einer Ballade, die die Figur des blinden Zhang Kou vor den Dorfbewohnern singt. In diesen Versen wird der Ursprung und Verlauf der Knoblauchrevolte erzählt.
Von der ersten Seite an bis zum Schluss hat mich diese sehr anschaulich und mit vielen Details erzählte, atmosphärisch dichte Geschichte gefesselt. Dass sie nicht chronologisch erzählt wird, hat mich weder gestört noch verwirrt, sondern hat sogar noch dazu beigetragen, dass ich mehr erfahren wollte. Aber auch die Erzählweise an sich sowie die Story waren schon äußerst spannend. Dazu habe ich viel über die gesellschaftlichen und die Lebens-Verhältnisse der chinesischen Bauern zu jener Zeit (und sicherlich noch teils bis heute) erfahren. Die Charaktere kommen glaubhaft und lebendig herüber, und ich konnte mich gut in die jeweiligen Personen hineinversetzen. Gut fand ich auch, dass beide Perspektiven miteinbezogen werden,wobei natürlich klar ist, für welche Seite man Partei ergreifen wird. ;-) Wie die einfachen Bauern / Bürger von den Staatsbediensteten gegängelt werden, kommt ebenfalls deutlich herüber und berührt, so wie auch der Rest. Genug Dramaturgie ist bei diesem Thema, und auch angesichts der Liebesgeschichte, ebenfalls vorhanden; zu meiner anspruchsvollen Lesefreude wird dabei auf Kitsch und Klischees verzichtet. Die Geschichte wird handlungsorientiert dargestellt, das heißt so, dass auch ohne theoretische Erläuterungen, einfach durch die Handlung, deutlich wird, worum es geht. Der Leser soll sich selbst ein Bild und eine Meinung davon machen, was ihm durch die leicht verständliche, dennoch ausschmückende Sprache auch sehr gut gelingen dürfte. So werden auch die gesellschaftskritische, zum Nachdenken anregenden Aspekte klar herübergebracht, und zwar ohne zu dozieren.
Fazit:
Eine gesellschaftskritische Bildungslektüre, die auch noch gut unterhält und die auch der rundum spannenden und dramaturgischen Elemente nicht entbehrt, zudem noch literarisch gut umgesetzt ist. Allen, die sich für das Leben in China interessieren und sich kritisch mit dessen politischen und wirtschaftlichen System auseinandersetzen möchten, ohne sich durch irgendwelche trockenen Sachbücher quälen zu müssen, kann ich dieses Buch daher nur empfehlen!