Viele von Ken Folletts Romanen haben mich bis jetzt begeistern können. Nun war endlich
"Der dritte Zwilling" an der Reihe.
Klappentext"Dr. Jeannie Ferrami, eine junge, ehrgeizige Psychologieprofessorin, trifft im Verlauf ihrer Forschungen auf zwei junge Männer, die sich in allem aufs Haar zu gleichen scheinen. Der eine, Steve Logan, ist ein Mann, den sie lieben könnte. Der andere sitzt als Mörder im Gefängnis. Da wird Steve eines schrecklichen Verbrechens bezichtigt und eindeutig als Täter identifiziert. Aber Steve schwört, dass er unschuldig ist. Gibt es noch einen dritten Zwilling?"
Ausführlichere InhaltsangabeZiemlich zu Beginn der Geschichte trifft der Leser auf einen nicht näher benannten Täter, welcher kurz darauf einen Brand in der Sportabteilung der (fiktiven bzw. vom Autor umbenannten) Jones-Falls-Universität, wo sich auch der Damenumkleideraum befindet, auslöst und Jeannies Kollegin und Freundin Lisa vergewaltigt. Aufgrund von deren Beschreibung sowie der Gegenüberstellung scheint der Fall schnell gelöst... Doch der Gefasste beteuert seine Unschuld.
Und Jeannie glaubt ihm. Nicht nur ihre Menschenkenntnis lässt sie an seine Unschuld in dem Fall glauben, sondern auch das, was sie in ihrem Forschungsprojekt herausfindet. In dem Projekt will sie anhand von eineiigen Zwillingen (bzw. Menschen mit gleicher DNA, was per se auch auf Klone zutrifft) erforschen, welchen Einfluss die Gene auf eine etwaige spätere Entwicklung in Richtung Kriminalität haben könnten und inwiefern eher die Erziehung und das soziale Umfeld eine solche Entwicklung begünstigen. Um solche Zwillinge aufzuspüren, hat sie ein spezielles Computerprogramm entwickelt, mit dem medizinische Daten der betreffenden Personen abgeglichen werden. Mit eben diesem Programm hat sie die Übereinstimmung der Daten von Steve Logan, dem angehenden Anwalt, und eines Gefängnisinsassen herausgefunden. Und nun wird dieser verdächtigt, ihre Freundin vergewaltigt zu haben - nur, weil er genauso aussieht wie der Täter.
Der Verdacht, dass da irgendetwas nicht stimmt, erhärtet sich bei den weiteren Nachforschungen. Das Problem liegt in der Beweiskraft. Schließlich könnte Steves Unschuld nur dann bewiesen werden, wenn der wahre Täter mit einem entsprechenden Indiz gefunden wird. Und das, was damals 22 Jahre zuvor heimlich und ohne das Wissen der Patientinnen durchgeführt wurde, denen man eine Hormonbehandlung vorgaukelte und die sich vermutlich bislang wunderten, warum ihr Kind ihnen nicht ähnlich sieht, ist nur dann beweisbar, wenn weitere dieser optisch und rein biologisch gesehen identischen Menschen ausfindig gemacht werden.
Dafür werden Jeannie und ihren Freunden von der Gegenseite natürlich Steine in den Weg gelegt. Als ihr Chef Berrington Jones, der sich als einer der damaligen Beteiligten bei dieser Sache herausstellt, bemerkt, wie gefährlich sie ihrer Firma Genetico werden könnte, erreicht er, dass sie suspendiert wird. Denn wenn diese Sache herauskommt, könnten die Übernahmepläne von Genetico an den Landsmann-Konzern platzen. Es geht aber nicht nur um viel Geld, sondern auch um die Wahlkampffinanzierung für einen Präsidentschaftskandidaten mit höchst radikalen Ansichten. Das Klonprojekt gehörte zu einem umfassenderen Programm.
Die plötzliche Suspendierung wiegt, nebenbei bemerkt, für Jeannie umso schwerer, da ihre Mutter kürzlich wegen Alzheimer ins Heim musste und sie ihr gerne einen Platz in einem besseren Heim verschaffen würde, in dem sie gut versorgt wird. Dies ist bei den momentanen finanziellen Verhältnissen noch nicht möglich.
Jeannies Spur führt sie zur Aventine-Klinik, die offenkundig etwas zu verbergen hat, da sie auf die Schnelle Patientenakten verschwinden lässt. Sie führt aber auch ins Pentagon, zumal die betreffenden Geburten alle in Militärkrankenhäusern ausgetragen wurden. Im Verlauf ihrer weiteren Recherchen erweist sich sogar ihr Vater, der notorische Einbrecher, einmal als nützlich...
Meine RezensionEin sehr hoch spannendes Thema wurde hier mit erstaunlicher Komplexität und praxisbezogen in einen Mix aus Krimi und Science Fiction verwoben. Die Mischung zwischen fiktiven und realistischen (in dem Sinne, wie es wirklich sein könnte) Elementen habe ich als ausgewogen und gut miteinander verknüpft empfunden.
Der lebendige, populäre Schreibstil machen den Roman in Kombination mit einem spannenden Handlungsverlauf zu einem Pageturner. Ich wollte jedenfalls immer mehr wissen und erfahren, wie es weitergeht. So las ich mit Vergnügen auch mehrere Kapitel hintereinander, welche übrigens eine durchschnittliche Länge aufweisen und teils noch in Unterabschnitte unterteilt sind.
Sachlich zeigt Ken Follett in diesem Werk einmal mehr, dass er einerseits die Materie gründlich recherchieren kann und andererseits diese auch inhaltlich auch für Laien und Leute, deren Vorkenntnisse nicht über Schulkenntnisse zum Thema Genetik hinausgehen, verständlich beschreiben kann. Aber keine Angst: Die Theorie steht hier nicht im Vordergrund, im überwiegenden Anteil der Geschichte geht es um die praktischen Implikationen. Für mich waren die wie beiläufig in die Story eingebauten Fakten dennoch interessant, eine nette Auffrischung und Ergänzung meines Schulwissens zu diesem Thema.
Die Frage, was die genetischen Grundlagen des Menschen sind, und unter welchen sozialen und sonstigen Bedingungen eine Entwicklung in die eine oder andere Richtung stattfindet, beschäftigt die Gemüter bis heute. Heute wissen wir, dass die Gene nichts Definitives sind, dass sie sich, je nachdem, was wir im Laufe unseres Lebens erfahren und wie wir überhaupt leben, verändern können. Die Gene sind lediglich eine Basis, vergleichbar mit den Grundmaterialien, aus denen ein Haus gebaut werden kann. Wie dieses Haus jedoch später im Detail aussieht und welche Eigenschaften es am Ende aufweisen wird, das kann man aus den bloßen Bausteinen noch nicht ersehen. Das (Gen-) Material liefert eben nur eine gewisse Bandbreite an Möglichkeiten. Welche davon eintritt oder nicht, hängt von vielen anderen Faktoren ab.
Auch bei Folletts Klonen gibt es trotz des gleichen Aussehens und einiger Parallelen wie etwa identischen Gesten bei ansonsten teils völlig unterschiedlichen Menschen Unterschiede im Charakter, je nachdem, wie ihre Biografie sich im Einzelnen gestaltete, wodurch ein jeweils unterschiedliches, individuelles Charakterbild ausgeprägt wurde. Bei den Nebenfiguren unter ihnen, welche nur einen kurzen Auftritt in der Story haben, werden diese Unterschiede nicht so offenbar, eben weil es sich um Nebenfiguren handelt. Jedoch reicht die Bandbreite von jenen, welche eine Gefängniskarriere bestreiten, bis hin zu Menschen, die ein mehr oder weniger normales Leben ohne impulsive Gewaltausbrüche oder Ähnliches führen. Neben einem positiven Umfeld in der Kindheit spielt offenbar auch der eigene Wille dieser Personen, spontane Impulse wie die aus Wut resultierenden zu kontrollieren, eine große Rolle. Dazu ist unter anderem ein starker Verstand notwendig.
Von den Hauptcharakteren habe ich bei der Lektüre eine gute Vorstellung gewonnen. Diese fand ich sehr gut und recht klischeefrei charakterisiert. Auch der Nebenaspekt mit der Liebesgeschichte mit schwierigem Anfang, welche einen die Story unterstützenden, nicht übermäßigen Platz einnimmt, ist bis auf das Ende frei von Klischees. Etwas weniger glaubwürdig fand ich wiederum, wie Lisa ihre Vergewaltigung offenbar wegsteckt. Dass Jeannie ihre eigenen Erlebnisse im Verlauf der Geschichte so gut verarbeitet, passt aus meiner Sicht hingegen zu dieser Hauptfigur, da sie eine starke Persönlichkeit ist. Allerdings gab es auch Stellen, wo ich mich gefragt habe, warum ihr beispielsweise erst so spät auffällt, dass sie den falschen Klon vor sich hat, obwohl es eindeutige Indizien dafür gab. Das steht für mich im Widerspruch zur sonstigen Cleverness und Auffassungsgabe dieses Charakters. SO blind können gewisse Gemütszustände eine solche Person doch gar nicht machen, auch nicht, wenn sie frisch sind!
Zu den fiktiven Elementen zählt - neben den Hintergründen der Gegenseite und der Story an sich - der Umstand, dass die Klonerei in diesem Roman in den 1970er Jahren stattfand. In Wirklichkeit war das Sensationellste, das die Wissenschaft auf diesem Gebiet zu dem Zeitpunkt erreicht hatte, das Klonen von Fröschen gewesen. Erst 1978, also ENDE der 70er, kam das erste Retortenbaby auf die Welt. Allerdings war das mittels künstlicher Befruchtung gezeugte Baby wohl eher nicht geklont. Bis zum Schaf Dolly sollten jedenfalls noch ein paar weitere Jahrzehnte vergehen.
Bis auf Kleinigkeiten wie einigen Rechtschreibfehlern, wie ich sie bei Büchern aus dem Bastei-Lübbe-Verlag häufig entdecke, ein paar unstimmigen Jahreszahlen und einer Namensverwechslung in einem Dialog, bei dem ein Mal von Lisa die Rede ist, obwohl Jeannie gemeint ist, sind mir an diesem Werk keine Mängel aufgefallen. Diese Kleinigkeiten haben mein Lesevergnügen jedoch nicht getrübt.
Ich kann Ken Folletts
"Der dritte Zwilling" daher nur empfehlen!