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Leo Hickman: Fast nackt

Sein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben.

Da ich vor kurzem wieder diese Thematik ansprach, möchte ich Euch heute dieses Buch empfehlen. Obwohl die Lektüre bereits ca. 1,5 Jahre zurückliegt, habe ich es noch immer nicht vergessen. Ich denke, das spricht wohl für sich.


Von mir interpretierter Inhalt

In einem lockeren, unterhaltsamen und populären Schreibstil erzählt der Autor, durchaus selbstkritisch und mit einer angemessenen Portion Humor, wie er sich und seine Konsumgewohnheiten im Laufe dieses einen Jahres (und natürlich darüber hinaus) zusammen mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Schritt für Schritt immer mehr auf ökologisch, umwelt- und sozialbewusst umgepolt hat. Dabei erwiesen sich einige Maßnahmen als einfacher als gedacht; andere hingegen brauchten mehr Überlegungs- und Gewöhnungszeit oder waren in diesem Fall auch nicht unmittelbar umsetzbar.
Unterstützt wird das Paar dabei von drei "Beratern", die sich mit dem Thema auf ihre jeweilige Weise auskennen und somit auch verschiedene Aspekte ansprechen: Hannah Berry, die für das britische Verbrauchermagazin "Ethical Consumer" arbeitet und Vegetarierin ist. Mike Childs, Marketingleiter von "Friends of the Earth", einem internationalen Netzwerk von Umweltgruppen. Und Renée Elliott, die Aufsichtsratmitglied der Soil Association und Gründerin der Planet Organic-Bioläden in Großbritannien ist.
Weiterhin geben die zahlreichen Briefe und Mails, die den Autor im Verlauf des Experimentes erreichen, ihm (und uns Lesern) sehr viele Tipps, aber auch Rückhalt.

Zu Beginn des Experimentes statteten nun die Berater den Hickmans einen Besuch ab, um ihre aktuelle Lebensweise zu checken und darauf beruhend Tipps geben zu können, was sie verbessern können, um ökologischer zu leben. Dazu räumen sie die Küchen- und Badezimmerschränke aus, gucken, was für Elektrogeräte sie benutzen, welche Putzmittel sie verwenden, auch welche Marken, wie viel Verpackung mit den im Haus vorhandenen Produkten verschwendet wird und wie viel Müll sie allgemein produzieren, ob sie ihren Müll trennen, inwiefern sie bereits Bioprodukte verwenden, uvm.
Schon hier stellt sich heraus, dass es einiges gibt, was sie tun können, um ihre Ökobilanz zu verbessern.
Und Leo zögert natürlich nicht lange, aktiv zu werden: Beispielsweise kauft er sich einen Wurmkomposter, um seine Bioabfälle zu recyceln, beschließt, in seinem kleinen Garten Kräuter und Gemüse anzubauen, bestellt bei einem entsprechenden Biounternehmen eine Abokiste mit einheimischem, in der jeweiligen Saison erhältlichen Gemüse, beschließt, ab dem nächsten Einkauf keine Plastiktüten mehr dazuzunehmen, sondern entsprechende Transportbehälter selbst von zu Hause mitzubringen, sowie überhaupt noch mehr darauf zu achten, keine Lebensmittel mehr mit überflüssiger Verpackung, und statt von weither eingeflogener lieber einheimische Produkte zu kaufen.
Seine Frau Jane macht bei vielem bereitwillig mit; in anderem hingegen (z.B. bestimmte Pflegeprodukte, aber auch in punkto Kleidung, Second-Hand- und Biokleidung) zeigt sie sich weniger begeistert und einsichtig.

Hier zeigt sich schon, dass jeder seinen eigenen Rhythmus braucht, um sich auf eine ökologischere Lebensweise umzustellen. Auch ist es klar, dass jeder seinen eigenen Weg (und manchmal auch Kompromiss) dazu finden muss. Zum Beispiel ist nicht jeder bereit, völlig auf das Fliegen zu verzichten - nicht nur, aber auch aus Kosten- und Zeitgründen für weitere Strecken. Auch das Ehepaar Hickman hat letztlich beschlossen, nicht ganz auf Fernreisen verzichten zu wollen; dafür aber bei Reisen innerhalb Europas mehr auf andere Reisemethoden wie Zug oder Bus umzusteigen. Und auch bei der Wahl der Reise selber wollen sie noch mehr auf ökologische Gesichtspunkte achten, etwa indem sie bestimmte Anbieter wählen, die nachweislich Wert auf diese Kriterien legen.
Dass dieses Vorhaben, ökologischer zu leben, auch die eine oder andere Schwierigkeit mit sich bringt, und immer wieder aufs Neue Entscheidungen erfordert, zeigt sich schon beim nächsten Einkauf im Supermarkt. Mehr einheimische Produkte - schön und gut. Aber was ist, wenn der Supermarkt diese nur in eingeschränktem Maße anbietet? Außerdem müssen sie nun an vielen Produkten vorbeigehen, zu denen sie sonst gewohnheitsmäßig gegriffen haben. Und woher sollten sie beispielsweise wissen, ob ein bestimmtes Produkt unter ökologischen Bedingungen hergestellt wurden - wenn es logischerweise nicht auf der Verpackung draufsteht? Klar, über bestimmte multinationale Konzerne kann man sich informieren, und diese entsprechend meiden.
Doch dass eine bestimmte Sorte Zuckererbsen in Kenia hergestellt wurde, hätten sie nicht auf Anhieb wissen können, wenn ihre Berater sie nicht zuvor darauf aufmerksam gemacht hätten. Es gibt also sehr viele Fettnäpfchen, in die man schon bei einem simplen Wocheneinkauf treten kann...

Ein Aspekt, an den man bei diesem Thema vielleicht nicht sofort denkt, wird in diesem Buch ebenfalls angesprochen: Banken und Geldanlagen. Dabei ist es, wenn man wirklich ethisch leben will, schon von Bedeutung, sich darüber zu informieren, wohin die Bank, bei der man ist, investiert, welche Unternehmen sie unterstützt, ob sie überhaupt darauf achten, oder ob es ihnen egal ist, ob sie durch die Unterstützung entsprechender Konzerne, von denen das bekannt ist, indirekt Waffengeschäfte oder unethische Praktiken unterstützt, etc.
Leo erfährt, dass es bestimmte "ethische Banken" gibt, über die man sich informieren kann, und wechselt sogar - was ihm durchaus nicht leicht fällt, zumal er bei seiner vorigen Bank, der er vertraut hat, viele viele Jahre war.

Ebenfalls dazu gehört ehrenamtliches Engagement, am besten in der eigenen Umgebung - so trägt man dazu bei, sein eigenes Umfeld ethischer zu gestalten, etwa indem man Menschen hilft, die nicht dieselben guten Bedingungen haben wie wir, oder indem man sich für die Umwelt engagiert, usw.
Hier bekommt Leo eher durch Zufall über seinen Arbeitsplatz einen Tipp: Er erfährt von einem Leseförderungs-Projekt an einer Schule, in dem Kinder, die Probleme damit haben, beim Lesenlernen unterstützt werden. Dort engagieren sich bereits viele seiner Kollegen. Initiativ und spontan beschließt er, einmal pro Woche seine Mittagspause zu investieren, um hierbei ehrenamtlich mitzuwirken. Und es macht ihm sogar ungeheuer viel Spaß!
Außerdem lässt es sich gut in seinen vorhandenen engen Zeitplan integrieren. Alles eine Frage der Organisation. Das viel verwendete Argument "Keine Zeit" ist also nicht unbedingt eine Entschuldigung. Schon eine Stunde wöchentlich etwas zum Wohle der Allgemeinheit tun bewirkt viel; viel mehr als nur ein gutes Gefühl!

Dies soll als Überblick über dieses vielfältige Themenspektrum, und als zum Nachdenken anregende Inspiration, als Anreiz, genügen.


Meine Rezension und Fazit

Es ist dem Autor gelungen, auf unterhaltsame, leicht verständliche und ausgewogene, aber nichtsdestotrotz eindringliche Weise gelungen, dem Leser aufzuzeigen, wie man durch Information, bewusste Kauf- oder Verzichts-Entscheidungen, und entsprechenden durchführbaren (v. A. bezahlbaren!) Maßnahmen sich nach und nach immer mehr auf eine ökologischere, global verträglichere und nicht mehr so verschwenderischere Lebensweise umstellen kann. Dabei ist er mit gutem Beispiel vorangegangen.
Natürlich ist es auch klar, dass man nicht alles auf einmal umsetzen kann, dass man aber auch mal selektieren muss, was einen persönlich am wichtigsten erscheint, und dass man ab und zu auch mal Kompromisse eingehen muss. Insgesamt aber gibt es schon einiges, was man tun bzw. ändern kann - und hier sollte man auch keinerlei Angst vor Selbstkritik haben. Das muss allerdings nicht unbedingt bedeuten, dass man ständig mit einem schlechten Gewissen herumläuft - manchmal wird man auch gezwungen sein, ein Auge zuzudrücken.
Das Entscheidende ist aber, dass man in der Regel die Augen offen behält, und sich auch, wenn man einmal eine Ausnahme machen muss (z.B. weil nichts anderes im Angebot ist oder man dafür unvertretbar lange Autostrecken in Anspruch nehmen müsste, oder weil es kein Geschäft für Bioklamotten in der Gegend gibt und man auch keine Zeit geschweige denn das Talent hat, sich seine Kleidung selber zu nähen), bewusst ist, was seine Verhaltensweise als Konsument auf der anderen Seite der Welt für Auswirkungen haben kann.

Besonders gut gefällt mir an diesem Buch, dass hier bereits sehr viele Tipps und Anregungen zur eigenen Umsetzung gegeben werden, sowie dass einige nützliche Links am Ende mitgeliefert werden, über die man sich individuell und weiterführend informieren kann.

Es dürfte klar sein, dass so ein individueller Selbsttest trotz der Vielfalt des Themenspektrums nur ein Auszug aus sämtlichen möglichen Maßnahmen ist, und dieses Themenspektrum noch wesentlich komplexer ist, als es auf 319 Seiten hätte beschrieben werden können. Es erhebt also keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Dieses Buch soll lediglich ein Anreiz sein, sich selber näher damit auseinander zu setzen; es soll zum kritischen Nachdenken über die eigenen Konsumgewohnheiten - und was man daran in Richtung "ökologisch vernünftiger" ändern könnte - anregen. Dabei gibt es auch einige Tipps, womit man überhaupt erst einmal anfangen, und worauf man achten sollte, wenn man eine solche Veränderung anstrebt.
Klar ist, dass es kein Buch ist, das man nach dem Lesen einfach wegstellt. Dieses Buch erwirbt man, um sich auf das Thema einzulassen. Entsprechend arbeitet es auch nach dem Zuklappen weiter - bestenfalls ein Leben lang!

Der Schreibstil spricht denke ich jedermann an und ist auch für Laien verständlich. Humor und Sachlichkeit, Unterhaltung und nützliche Infos und Inspirationen, schließen hier einander keineswegs aus, sondern ergänzen sich ausgewogen.

Jedoch hätte ich persönlich es besser gefunden, wenn die Kapitel übersichtlicher nach Thema gegliedert gewesen wären,
um zu einem späteren Zeitpunkt erneut etwas nachschlagen zu können. Stattdessen sind sie nur durchnummeriert, und es gibt keinerlei Inhaltsverzeichnis. Da das Buch so aufgebaut ist, dass jedes Kapitel ein großes Hauptthema umreißt, wäre es doch nicht schwierig gewesen, jedes Kapitel mit einem entsprechenden Titel versehen in einem Inhaltsverzeichnis aufzulisten, oder? Das ist jedoch das einzige, was ich daran zu bemängeln habe.

Karin 04.02.2010, 19.10

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Kommentare zu diesem Beitrag

2. von Ocean

Huhu liebe Karin,

schön sieht dein Blog aus ..ich mag lila gern sehen :)

Nun hab ich erstmal bis runter gelesen und wieder jede Menge Inspiration bei dir bekommen. Das ist das Tolle an privaten "thematisch gemischten" Blogs - aber es stimmt - gut wär's, wenn Blogs breitere Aufmerksamkeit und Beachtung in den Medien finden würden. Denn sie können schon meinungsbildend wirken.

Ja - jeder einzelne kann so einiges tun, um ökologischer zu leben und die Umwelt zu schonen - da gibt es viele Beispiele .. und selbst wenn man an manchen Stellen einfach Kompromisse schließen muß, so summiert sich das doch, wenn jeder an bestimmten Stellen "spart" - also auf Umwelt- oder Ökosünden verzichtet, auch wenn sie lecker, bequemer etc. wären.

Neulich hab ich eine Mutter und ihre erwachsene Tochter beobachtet, wie sie sich den aus Peru eingeflogenen und preislich recht günstigen Spargel in den Einkaufswagen gepackt haben. Vielleicht hätte ich sie drauf ansprechen können ..aber es ist natürlich auch eine Art Einmischung, und jedem seine Privatsache, was er kauft -

aber ich vermute, daß manche gar nicht drüber nachdenken, wie sehr die Umwelt durch diesen Import (der ja nun wirklich nicht unbedingt sein muss ..in ein paar Monaten haben wir wieder Spargel aus der Region) mit belastet wird. Ich hätt auch gern Spargel - aber das verkneif ich mir jetzt noch, angesichts der langen Wege, die er zurücklegt.

Was ich viel tue - autofahren. Dazu steh ich auch. Hab den FS erst seit 2001, und es bedeutet mir so viel - natürlich könnt ich es machen wie mein Mann, und den Zug nehmen. Aber das gäbe zeitliche Probleme bei mir ..dauert länger ..ich hab seit jeher enorme Platzangst etc in den Öffis ..

dafür "spar" ich dann an anderen Stellen.

Ganz liebe Grüße an dich ..hab ein schönes Wochenende :)

Ocean (die "Heaven is .." gar nicht so schlecht findet, aber die Spice Girls, das muss echt nicht sein *gggg*)

vom 05.02.2010, 11.02
Antwort von Karin:

Das finde ich auch. Leider habe ich aber oft den Eindruck, dass Blogs hier in Deutschland immer noch nicht als meinungsbildendes (gelegentlich auch informatives) Medium so ernst genommen werden und i. d. R. kaum über den eingeschränkten Kreis hinaus Beachtung finden. Also die "kleinen", wenig bekannten Blogs.

Regionale und saisonale Produkte bevorzugen - wie Du es ansprichst - ist natürlich eine weitere, wichtige Möglichkeit, ökologisch zu konsumieren. Wobei da wohl auch wieder jeder seine eigenen Prioritäten setzen wird. Die Grundzutat für Schokolade muss beispielsweise immer eingeliefert werden. Und auch Kaffee ließe sich in unseren Breitengraden nicht anbauen.
Bei diesen Produkten schließe ich aber den Kompromiss, dass ich da auch ab und zu etwas mehr Geld für Produkte aus fairem Handel investiere. Immer wäre mir das aber auch zu teuer. (Und Schokolade und Kaffee sind ausgerechnet Dinge, auf die ich nicht dauerhaft verzichten wollte. Während ich den Schokoladengenuss einschränken kann - und auch bewusst gestalte - ist der Kaffee für mich fast schon existenziell.)

Nee, Spice Girls müssen wirklich nicht sein. Das kann ich heute auch nicht mehr verstehen. Damals war es aber offenbar so eine Art "Gruppenzwang", dass jeder irgendeine "Lieblingsband" haben musste oder so... Und weil mir damals nichts Anderes einfiel - tja.

1. von Gucky

Zu dem Buch kann ich jetzt nicht viel sagen und habe nur mal einen Aspekt daraus gezogen...
Mit den Plastiktüten... DAS mache ich schon lange nicht mehr ! Ich habe mir einen Leinenbeutel gekauft (1 €) und verwende den zum Einkaufen. Inzwischen habe ich sogar mehrere weil nicht immer alles in einen Beutel reinpaßt.
Mir hat das so "gestunken" für diese Plastiktüten noch zu bezahlen und dafür trage ich deren Werbung noch durch die Gegend... :neee:

vom 04.02.2010, 22.40
Antwort von Karin:

Ich habe auch zahlreiche Leinenbeutel zu Hause, und wenn ich weiß, dass ich einen brauchen werde, nehme ich ihn auch mit. Aber manchmal vergesse ich es auch... Die sich auf diese Weise ansammelnden Plastiktüten werden aber meist nicht weggeschmissen, sondern ebenfalls mehrfach (also oft) wiederverwendet. 

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Ralph Waldo Emerson (1803-1883)







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