Ausgehend von
Oceans Ãœberlegungen zum Thema
Manipulation und Beeinflussung habe ich mir einige Gedanken dazu gemacht.
Wir alle werden - mal mehr, mal weniger - manipuliert. Sei es durch die
Medien, sei es durch die
Werbung, und auch in der Politik wird immer wieder manipuliert und nach Strich und Faden verarscht, um sein (also des Manipulateurs) hübsches Pöstchen an der Macht zu sichern, etc. Ähnliches ist auch in der Wirtschaft zu beobachten.
An sich ist niemand davor gefeit, so lange man nichts davon weiß. Und sobald man davon erfährt, handelt es sich nicht mehr um eine
Manipulation - weil man dann immer noch die Wahl treffen kann, sich dagegen zu wenden oder sich ihr zumindest zu entziehen, indem man sie ignoriert.
Aber was IST nun Manipulation? Auf Wikipedia wird sie wie folgt definiert:
"Der Begriff Manipulation (lat. für Handgriff,
Kunstgriff) bedeutet im eigentlichen Sinne „Handhabung“ und wird in der
Technik auch so verwendet. Die umgangssprachliche Bedeutung ist jedoch
die gezielte und verdeckte Einflussnahme
- in psychologischer Hinsicht sämtliche Prozesse, welche auf eine
Steuerung des Erlebens und Verhaltens von Einzelnen und Gruppen zielen
und diesen verborgen bleiben sollen. (...)Von Manipulation eines Menschen spricht man dann, wenn die Annahme
eines Identifikationsangebots oder einer Ware und Dienstleistung nicht
zu seinem Vorteil sondern zu seinem Nachteil führt. Von unsittlicher
Manipulation spricht man, wenn der Versuch zu überreden oder überzeugen bei den Beeinflussten ökonomischen oder sittlichen Schaden verursacht."Dem gegenüber (und das darf nicht verwechselt werden, wie auch schon Ocean in ihrem Beitrag feststellte) steht die
Beeinflussung.
Im Gegensatz zur Manipulation, die IMMER negativ ist, kann die
Beeinflussung welcher Form auch immer durchaus vorteilhaft sein - also
auch für den, der beeinflusst wurde.
Beeinflussung an sich ist für mich zunächst ein völlig wertfreier
Begriff - erst die konkrete Situation entscheidet, ob es sich um einen
positiven oder negativen Einfluss handelt.
Wenn ich versuche, jemanden davon zu überzeugen, dass sein übermäßiges
Rauchen seiner Gesundheit schadet (ohne ihn zum Aufhören zu überreden
-> das hätte in meinen Augen schon einen negativen Aspekt, weil es
einem Zwang nahe käme und damit nicht gesagt wäre, dass es für IHN
persönlich auch besser wäre, zumal er auch nicht selbst zu der Einsicht
gelangt ist), dann ist das eine positive Beeinflussung.
Ein krasses Beispiel für eine negative Beeinflussung - bei der
obendrein eine Schwäche des Beeinflussten ausgenutzt wird - wäre
demnach ein Korruptionsfall. (Denn um Manipulation handelt es sich hier
schon deshalb nicht, weil der Beeinflusste sich der Situation durchaus
bewusst ist, und er sich entsprechend dafür entschieden hat, dass ihm
das Geld wichtiger ist als irgendwelche moralischen Prinzipien oder
Gesetze. Er ist auf seinen eigenen Vorteil bedacht.)
Ein wesentliches Merkmal der Beeinflussung ist es also, dass der
Betroffene sich ganz bewusst dafür entscheiden - oder dagegen wenden -
kann, je nachdem, was er für sich selbst als am besten ansieht. Dies
wird dadurch ermöglicht, dass er (manchmal auch unterbewusst) weiß oder
zumindest durch irgendwelche Anzeichen ahnt, dass er beeinflusst wird.
Denn wenn er genau hinschaut, sich informiert, und auch mal etwas
hinterfragt, was ihm merkwürdig erscheint, dann ist die Chance hoch,
dass er irgendetwas bemerkt. Schließlich lebt er ja in der Regel nicht
in einem Vakuum.
So lange er nicht in einem solchen "luftleeren Raum" lebt, wird jeder
Mensch praktisch immer von irgendwem aus der Gesellschaft beeinflusst.
Das fängt mit der Familie an, sobald er geboren und in ihr erzogen
wird, geht über den Freundeskreis, wo ihm ein Freund einen guten Rat
gibt, und hört mit einem regen Meinungsaustausch mit einem Fremden, den
er zufällig in der Bahn getroffen hat, noch lange nicht auf.
Womit ich bei der sozialen Rolle der Beeinflussung wäre.
Fängt Beeinflussung nicht im Grunde schon an, sobald ich den Mund
aufmache? Ob ich es will oder nicht: Sobald ich irgendwem gegenüber
meine Meinung äußere oder auch nur von einem alltäglichen Erlebnis
erzähle, löse ich etwas in meinem Gegenüber aus. Ein Gefühl oder einen
Gedanken. Es sei denn, ich stünde einem Roboter gegenüber und keinem
lebenden Wesen.
Ohne irgendeine Form der Beeinflussung gibt es also keine Kommunikation.
Dabei ist es doch gerade dieser Austausch, der es mir überhaupt
ermöglicht, mir ein weitläufiges Urteil zu bilden und dieses
weiterzuentwickeln (ich sage nicht: "objektiv",. da es keine vollkommen
objektive Meinung geben kann). Gerade dieser Dialog, diese Rückblende,
ermöglicht es doch, meinen eigenen Standpunkt entweder zu festigen oder
aber noch einmal für mich kritisch zu überdenken.
Und drittens: Beeinflussung kann ganz bewusst eingesetzt werden, um
einen Lernprozess in Gang zu setzen. Bestimmte Verhaltensweisen, die in
einer Gesellschaft üblich oder empfehlenswert sind, lernt ein Kind von
seinen Vorbildern (meist den Eltern) nun mal am besten
durch
Nachahmung. In den meisten Fällen ist das auch zu seinem Vorteil: Wenn
das Kind sieht, dass alle an einer roten Ampel stehen bleiben, und dies
entsprechend auch tut, wird ihm mit großer Wahrscheinlichkeit nichts
passieren. Natürlich würde es schneller lernen, warum es nicht bei Rot
über die Straße rennen soll, wenn es erst einmal von einem Auto
überfahren worden ist (falls es das überlebt) - aber will man es darauf
ankommen lassen?
Hier ist der Einfluss also nicht nur eine notwendige Begleiterscheinung, sondern auch gerechtfertigt.
Auch in anderen Bereichen der Erziehung wird das Kind beeinflusst. So
zum Beispiel, wenn es um soziale Normen und Rituale geht, die es lernen
soll, um später in der jeweiligen Gesellschaft und Kultur
zurechtzukommen und nicht allzu sehr mit diesen in Konflikt zu geraten.
Man bringt ihm bei, dass es mit Messer und Gabel essen soll, dass es
unhöflich ist, mit vollem Mund zu reden, und dass man den kleinen
Bruder nicht schlägt, sondern wenn dann mit Worten kämpft, indem man
bitteschön hässliche und verletzende Worte meidet.
Das alles, der Prozess, dem Kind dies zu vermitteln, stellt Beeinflussung dar!
Wir müssen uns also von dem Gedanken verabschieden, dass Beeinflussung
in jeder Form etwas schlechtes wäre, dem man sich unbedingt entziehen müsse, um ein eigenständiger Mensch zu sein. Dem ist nicht so.
Genau so falsch wäre es im umgekehrten Falle von Manipulation, pauschal
zu sagen, nur "schwache" Menschen mit niedrigem Selbstbewusstsein,
leichtgläubige Leute oder solche mit hohem Anpassungsbedürfnis an die
Gesellschaft wären manipulierbar. Da man ja nichts von der Manipulation
weiß, ist im Prinzip JEDER manipulierbar. Kluge genauso wie weniger Kluge.
In welchem Ausmaß man sich linken lässt, das mag wohl von der
Persönlichkeit abhängen. Das kann aber letztlich nur der beurteilen,
den es betrifft. Als Außenstehender kann man es sich höchstens dann
anmaßen, wenn man Psychologe auf dem Fachgebiet ist und jemand, der
unter seiner Manipulationsanfälligkeit (bzw. den sich daraus ergebenden
Folgen in einer konkreten belastenden Situation) leidet, mit seinem
Problem zu ihm kommt, um sich helfen zu lassen.
Problematisch kann es in der Tat sein, wenn man etwas, das man in der
Vergangenheit (mit bestimmten, oder gar nur einem Menschen) erlebt hat
und die negativen Gefühle, die man damals hatte, auf andere Gruppen
überträgt (was übrigens im psychologischen Sinne noch etwas anderes als
Projektion ist ;-)). Ocean hat das Beispiel des Hasses genannt.
Also wenn jemand in seiner Jugend des Öfteren von Ausländern
zusammengeschlagen wurde und daraufhin unterbewusst irgendwann
beschlossen hat, alle Ausländer in diesem Land zu hassen, auch wenn er
sie gar nicht kennt und sie ihnen nichts getan haben - dann ist er
erheblich stärker gefährdet, sich von irgendwelchen propagandistischen
Äußerungen oder Gruppen manipulieren zu lassen.
Oder einer, der als Kind zu wenig Liebe bekam, fällt der Manipulation
seiner Selbst zum Opfer und macht all jenen das Leben schwer, die etwas
haben, was er gerne auch hätte.
Beides kann sich - wenn nichts dagegen getan wird - zu einer ernsthaften Krankheit steigern!
Doch dafür muss der Betroffene erst einmal erkennen, was Sache ist. Es
bleibt nicht aus, dass man ihn zumindest darauf aufmerksam macht, dass
es ein Problem ist und zu einem noch größeren, für ihn und für sein
Umfeld, werden könnte.
Man muss ihn also in einem gewissen Maß beeinflussen, um dem Teufelskreis der Manipulation zu beenden.
Damit schließt sich der Kreis.