Klappentext
"Wegen des brutalen Mordes an seiner Großmutter wird
der Außenseiter Howard Stamp zu einer lebenslangen Haftstrafe
verurteilt. Bald darauf begeht der geistig zurückgebliebene junge Mann
im Gefängnis Selbstmord. Dreißig Jahre später rollt der Anthropologe
Jonathan Hughes den Fall erneut auf, da er von Stamps Unschuld
überzeugt ist. Bald schon stößt er auf die wahren Hintergründe des
furchtbaren Verbrechens. Doch der wahre Mörder läuft noch frei
herum..."
Weitere Erläuterungen zum Inhalt
Zu Beginn des Romans wird der Leser Zeuge der Vergewaltigung der damals
im Jahre 1970 14-jährigen Cill Trevelyan in einem Park in der
Kleinstadt Highdown, Kreis Bournemouth, durch einige männliche
Jugendliche. Ihre damalige Freundin Louise Burton, mit dem das Mädchen
an jenem Tag mal wieder die Schule schwänzte, wird Zeugin der
Vergewaltigung und bringt ihr anschließend frische Klamotten, da die
ihren völlig zerrissen und blutverschmiert sind.
Nun wird unter anderem der oben genannte Fall Howard Stamps geschildert. Ausgehend von der Hypothese, dass Howard Stamp möglicherweise
unschuldig als Mörder seiner Großmutter verurteilt wurde, deckt Dr. Jonathan Hughes Indizien auf, die dagegen sprechen könnten, dass er der Täter
gewesen ist. Der Mord fand ebenfalls in Highdown statt.
George Gardener, Stadträdtin von Highdown, bietet ihm ihre
Hilfe bei weiteren Ermittlungen im Fall Howard an, da sie selber
darüber bereits einige Recherchen angestellt hat. Zwei Monate später -
wir schreiben das Jahr 2003 - treffen sie sich dort in einer Kneipe
namens "Crown and Feathers", welche (wie man im Verlauf erfährt) einem
gewissen Roy Trent gehört. Das Treffen verläuft ein wenig anders als
geplant, und die beiden sind sich offenbar nicht gleich sympathisch,
sondern teils auch von gegenseitigen Vorurteilen geprägt. Außerdem
passiert noch ein kleiner Zwischenfall am Bahnhof, wo Mr. Hughes auf
seinen Zug zurück nach London wartet.
Trotz dieses nicht gerade glorreichen Startes beschließen sie am Ende
doch, miteinander zu arbeiten. Die Ergebnisse ihrer Ermittlungen sollen
in einem neuen Buch veröffentlicht werden, welches Hughes
Literaturagent und bester Freund, Andrew Spicer, vermarkten will.
Im Verlauf ihrer Recherchen und der damit verbundenen logischen
Überlegungen und Verknüpfungen stellt sich den beiden auch die Frage,
ob ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Verschwinden Cill Trevelyans
nach deren Vergewaltigung und dem Mord an Stamps Großmutter bestehen
könnte. Letzterer geschah nämlich nur kurz nach Cills Verschwinden.
Aber das ist nicht die einzige Koinzidenz: So waren
die Haare, welche am Tatort gefunden wurden, rot. Auch im anderen Fall
gibt es einige rothaarige Menschen...
Was George und Jonathan so erfahren, und ihre eigenen Ãœberlegungen
und Spekulationen, ist nur die eine, wenngleich eine wichtige,
Perspektive des Romans. Die Szenen, wo William Burton versucht, die
fehlenden Puzzleteile seiner Vergangenheit zusammenzufügen, ebenso wie die Gespräche
zwischen Roy Trent und Priscilla Fletcher komplettieren für
den Leser das Bild von den beiden Ereignissen und deren Drumherum.
Wie sich die Fäden nun genau verknüpfen, ob Howard wirklich unschuldig
ist, oder wer ggf. der wahre Mörder sein könnte, dies und mehr klärt
sich im Buch auf. ;-)
Meine Rezension
Für mich war es ein sehr spannender Kriminalroman. Ein möglicher
Justizirrtum, ein mutmaßlich unschuldig verurteilter Mensch, dem man
die Schuld in die Schuhe schob, bloß weil der Fall schnell
abgeschlossen werden sollte und man zur Beruhigung der Öffentlichkeit
und der Medien einen "Mörder" präsentieren wollte, dadurch bedingte
undifferenzierte Betrachtung des Beweismaterials... aber auch die
Tatsache, wie Vorurteile gegenüber einem Menschen (Anderssein,
Außenseiterrolle, äußerliche Stigmata) das Urteil über ihn negativ
beeinflussen können... all das sind Themen, mit denen das Buch mich hat
ködern können. Diese Themen werden hier sehr gut miteinander verknüpft,
ohne dass man etwa zu viel auf einmal erfährt.
Der Handlungsverlauf, in denen die gestochen scharf gezeichneten, gut
voneinander zu unterscheidenenden Charaktere (wenn mal ein oder zwei
zunächst nicht gleich so klar sind, hat das seinen Grund) natürlich
eingebettet sind, ist flüssig und lässt zugleich Raum für eigene
weiterführende Gedanken und Überlegungen, wie es sich denn nun
verhalten könnte. Hat man anfangs keinerlei Ahnung, was der Mord an
Howards Großmutter mit der zu Beginn geschilderten Vergewaltigung zu
tun haben könnte, oder warum die Autorin uns das erzählt, wird dies
später immer klarer. Aber Achtung! Es könnten auch ein paar falsche
Fährten dabei sein! So fügen sich immer mehr Puzzleteilchen zusammen,
man gerät zwischenzeitlich über den einen oder anderen Punkt wieder in
Zweifel, einiges wird getrost verworfen - doch am Ende hat man doch ein
vollständiges Bild und löst es sich auf.
Obwohl ich noch nie in Bournemouth war, habe ich bei der Lektüre doch
den Eindruck gehabt, dass die örtlichen Gegebenheiten, auch zur Zeit der beiden Tatbestände, gut recherchiert
waren. Die prekären gesellschaftlichen Verhältnisse, unter denen Cill,
Louise, Howard und die anderen Romanfiguren dort aufwuchsen, kamen in
diesem Werk jedenfalls eindrücklich und glaubhaft rüber.
Dass die Story auktorial (und bezeichnenderweise in der
Vergangenheitsform) erzählt wird und somit die Perspektiven ab und zu
wechseln, empfinde ich für dieses Genre schon allein aus Gründen des
Mitfieberns als sehr passend und der Dynamik und Spannung dienlich.
Trotz verschiedener Perspektiven hatte ich jedoch niemals den Eindruck,
dass etwas Überflüssiges eingestreut worden wäre. Nebenfakten bleiben
da, wo sie hingehören: Nämlich im Hintergrund. Sie werden erwähnt, wo
sie gerade passen, schieben sich aber nicht ablenkend vor die
Hauptsache. Vielmehr runden sie das Ganze ab, machen es lebendig und
somit glaubwürdig. Die Briefe und Mails, die manchmal zwischen den
Kapiteln kommen, tragen ebenso zur authentischen Wirkung bei wie die
lebensechten Dialoge, welche perfekt mit den erzählenden Passagen
abgestimmt sind.