Wenn man sich die deutsche Berichterstattung zur zweiten Runde des
französischen Präsidentenwahlkampfes so anschaut, liest es sich dort
fast so, als wäre es lediglich eine
euphorische Massenveranstaltung á la deutsche Fußball-WM 2006. Oder als ginge es nur darum, den Gegenkandidaten
polemisch auszustechen.
Gut, es sind ja auch nicht die Deutschen, die wählen müssen. Wenngleich
nach meiner Erinnerung bei der letzten deutschen Bundestagswahl auch
nicht anders, d.h. seriöser, objektiver und hintergründiger berichtet
wurde.
Bei den Franzosen merkt man hingegen, wie viel ihnen an dieser Wahl
liegt. Dass es um mehr geht als bloß eine Wahl zu gewinnen. Um Werte
und Konzepte. Und man merkt, dass sowohl ein Großteil der Wähler als
auch zumindest einige Politiker noch hinter dem stehen, was sie sagen.
Es ist eben eine politisch engagierte Kultur, von der wir hier in
Deutschland uns generell eine Scheibe abschneiden könnten... aber das
wäre ein anderes Thema.
Dieses politische Interesse wird auch in den
französischen Medien deutlich, wo sehr viel
differenzierter, nüchterner und hintergründiger über den Wahlkampf berichtet wird.
Während die deutschen Onlinemedien sich darauf beschränken, einzelne Aussagen in losem, zusammengekleisterten Zusammenhang kurz zu zitieren, werden diese in dem französischen Bericht im Kontext belassen. Dadurch kann sich der französische Wähler besser selbst ein Bild machen.
Die vollständige Passage, wo Ségolène Royal Sarkozy und
Charles de Gaulle gegenüber stellt, und dessen Anspielung auf die Ereignisse im
Mai 1968, lautet demnach so:
"Wie
ich den Kandidaten der Rechten an die stille Mehrheit appellieren höre
(...) Er will sicherlich die Champs Elysées hinaufsteigen wie die
Millionen versammelter Personen, die damals am 30. Mai 1968 damit die Politik des Generals Charles de Gaulle's unterstützten. Aber Bercy, das sind nicht die Champs Elysées, Doc G. ist nicht A. M., F. M. ist nicht B. T. Und Mr. Sarkozy ist nicht Charles de Gaulle."Und so, wie es die
Welt darstellt:
"Seine „Brutalität“ könne „den sozialen Frieden, den Bürgerfrieden
gefährden“, sagte sie." stimmt es auch nicht ganz - der Artikel
suggeriert, Royal hätte Sarkozy direkt angegriffen. Dabei hat sie ihn
gemäß dem
TF1-Artikel wohl gar nicht selber als brutal bezeichnet. Sondern:
"Wir wissen, wozu der Ãœbergang der
Macht und die Brutalität führen werden. (Ich will) eine gesammelte
Republik, eine friedliche Republik, eine Republik es Respektes, eine
Republik, die jedem einen echten Wunsch der Zukunft gibt."
Interessant auch, was sie über die Arbeit sagt:
"Der Wert Arbeit ist kein künstliches Werk des Diskurses, der Wert Arbeit, das ist zuallererst die Arbeit nach ihrem Wert bezahlen."
- Leistungsgerechte Bezahlung, Mindestlöhne... ein Themenkomplex, mit
dem wir uns in Deutschland ebenfalls in letzter Zeit konstruktiv
auseinander setzten.
Meine persönliche Meinung zu Ségolène Royal und Einschätzung zu dieser
Wahl im Allgemeinen? Ich finde, die Frau schlägt sich wacker; bis auf
wenige Prozentpunkte hat sie laut den Umfragen im Vorfeld bereits
jetzt seit dem ersten Durchlauf ziemlich aufgeholt. Dennoch bleibt es
spannend... Ich verfolge es interessiert, denke aber, dass ihre Chancen
gegen den Mann, der im ersten Wahlkampf dem rechtsradikalen Le Pen
versucht hat, Stimmen abzuringen, in dem er dessen Argumente verwendete
(!), sehr gut stehen.
..., dass es um mehr geht, als bloß eine Wahl zu gewinnen... Und genau das ist der Kern der Demokratie!
vom 02.05.2007, 15.03