Ausgewählter Beitrag

Tag 8: Ein Buch, das mich an einen Ort erinnert

Den Tag 7 der Aktion habe ich mal freigelassen, weil mir dazu partout nichts eingefallen ist. (Für gewöhnlich verbinde ich Bücher nämlich nicht mit Personen.) Vielleicht reiche ich den Beitrag später nach, falls ich doch noch auf eine Idee komme. Wenn nicht, dann macht das aber wohl auch nichts.

Beim Tag / Thema 8 bin ich hingegen wieder dabei. Und zwar mit: "Das Siegel des Templers".
Warum mich dieser historische Roman an den Jakobsweg erinnert, dürfte zumindest jedem, der meine Reise damals einigermaßen verfolgt hat, deutlich werden.

Inhalt

Im zweiseitigen Prolog erhält der König von Aragon Besuch vom Prior von Montfaucon, Floyran aus Béziers, der ihm einen ominösen Brief übergibt. Es ist vage davon die Rede, dass es um sehr viel Geld, aber auch um Macht gehe, und von irgendwelchen Anschuldigungen. Zu diesen Zeitpunkt, wenn man beginnt, das Buch zu lesen, erscheinen diese Informationen rätselhaft, man kann nicht viel damit anfangen, und auch ein Bezug zur späteren Handlung wird noch nicht deutlich. Zugleich macht dieser „Aufhänger“ aber auch neugierig darauf, eventuell zu erfahren, was es damit auf sich haben könnte.
Danach setzt sofort die Handlung in den Pyrenäen ein, wo Juliana gerade eine der schwierigsten Stellen des Jakobsweges überwindet. (Wäre ganz von vorne begonnen worden, wäre das Buch ungefähr doppelt so lang.) Sie ist morgens besonders früh von Saint-Jean-Pied-de-Port aus losgezogen, um ihren geheimnisvollen Begleiter Bruder Rupert abzuhängen, der ihr irgendwie unheimlich ist. Ob zu Recht oder zu Unrecht, möchte ich an dieser Stelle nicht verraten. Nur so viel, dass sie ihn langfristig so schnell nicht loswerden wird. Die dortigen Witterungsbedingungen (Nebel, Nieselregen, Schlamm usw.) werden übrigens authentisch beschrieben und haben sich bis heute nicht verändert. Nach einem endlos erscheinenden, beschwerlichen Fußmarsch kommt sie schließlich im Tal in Roncesvalles an, erhält dort etwas zum Essen und kommt dann im dortigen Kloster unter, wo auch ihre Beinwunde behandelt wird, die sie unterwegs davongetragen hat.

Im zweiten Kapitel wechselt die Szene in die Vergangenheit, ins Jahr 1307, kurz bevor ihr Vater verschwand und alles Weitere seinen Lauf nahm. Es ist der Tag, an dem der Templer Swicker, welcher gerade auf der Heimatburg Julianas und ihrer Familie, Burg Ehrenberg, weilte, in der Kirche der Pfalz in Wimpfen ermordet aufgefunden wird. Der Vater, Ritter Kraft von Ehrenberg, steht daneben, weshalb der Verdacht sofort auf ihn fällt. Ob es sich wirklich so verhält, darüber hülle ich mich natürlich in Schweigen, da sonst ein wesentliches Spannungsmoment des Buches weg wäre.

Kurz darauf verschwindet Kraft von Ehrenberg jedenfalls, nachdem er noch bei dem Dekan Gerold von Hauenstein (der zugleich Julianas Lehrer ist) war. Offenbar wurde er von diesem auf den Jakobsweg geschickt. Auf Burg Ehrenberg ändert sich nach dessen Verschwinden einiges. Juliana und ihre Mutter, Sabrina von Gemmingen, verbleiben mit den Bediensteten und Julianas Kinderfrau alleine auf der Burg. Zu jener Zeit erschien es undenkbar, dass eine Frau auf einer Burg alleine das Regiment übernimmt, und Sabrina ist wohl auch nicht dazu in der Lage, da diese Situation ja doch eine sehr traurige ist. Und da Juliana nun ja auch im heiratsfähigen Alter ist, soll sie den Ritterssohn Wilhelm von Kochendorf heiraten, auch, damit die Zukunft der Burg gesichert ist (so dachte man früher eben). Dies jedoch passt Juliana überhaupt nicht, und sie weigert sich dagegen, zumal dieser Mann ihr völlig unsympathisch ist. Dieser Hintergrund trägt wohl auch dazu bei, dass sie bald nach dem Verschwinden des Vaters beschließt, ihm nach Santiago nachzureisen, natürlich inkognito und als Mann verkleidet (als Frau würde man sie sofort erkennen und möglicherweise – so ihre Befürchtung – zurückholen).

Allgemein ist der Roman so aufgebaut, dass je Kapitel abwechselnd die Erlebnisse Julianas auf dem Pilgerweg und die Vergangenheit auf der elterlichen Burg geschildert werden. Und auch die Vergangenheit wird nicht immer chronologisch erzählt, sondern es gibt auch mal Zeitsprünge in eine weiter zurückliegender Vergangenheit, wie der Kindheit der Protagonistin, bis dann wieder ein Kapitel aus der jüngeren Vergangenheit kommt. Der Leser wird also praktisch ins kalte Wasser geschickt, und erst nach und nach erschließen sich immer mehr Zusammenhänge. Gerade dieser Aufbau trägt entscheidend zur Spannung und zur Motivation, weiterzulesen und mehr zu erfahren, bei. Diese Wechsel sind aber auch logisch aufeinander abgestimmt. So enthält ein Jakobsweg-Kapitel am Ende bereits eine gedankliche Überleitung zum nächsten Kapitel, welches wiederum in der Vergangenheit spielt. Es kommt halt einfach, wie es kommt – genau, wie auch auf dem Jakobsweg die Gedanken wie von selbst eine bestimmte Richtung nehmen, ohne dies zu erzwingen. Auf diese Weise erschließt sich dem Leser immer mehr, bis am Ende vieles, wenn auch nicht alles, aber doch das Wichtigste, aufgeklärt ist.

Nach der Etappe, die von Roncesvalles aus weitergeht, lernt der Leser in einer Vergangenheitsszene (1300) Julianas Jugendfreund, Wolf von Neipperg, kennen. Wolf verschwand später unter zu dem Zeitpunkt noch nicht geklärten Umständen von einem Tag auf den anderen. Juliana vermutet, dass er sich auf den Jakobsweg gemacht hat, etwas, wovon er einige Zeit vor seinem Verschwinden schon geträumt hat. Sie hofft auch, neben ihrem Vater, von dem sie einige Antworten auf die in ihr drängenden Fragen zu den Geschehnissen erhofft, irgendwo auf dem Jakobsweg oder zumindest an dessen Ende Wolf wiederzusehen. Ob und inwiefern all das in Erfüllung geht, müsst Ihr schon selbst nachlesen. ;-)
Im weiteren Verlauf des Pilgerweges schließen sich neben Bruder Rupert noch der junge Burgunder Ritter André de Gy, welcher sich für alles begeistert interessiert, was mit den Templern zu tun hat, der oftmals übellaunige Ritter Raymond de Crest, und Pater Bertrand an, der über ein umfassendes Wissen über die Geschichte der Orte, die sie passieren, verfügt. Kapitel für Kapitel erfährt man, was sie unterwegs so erleben, wie sie teilweise auch gefährlichen Situationen ausgesetzt sind und diese meistern, wie die Reisegefährten miteinander reden und doch deren jeweilige Geschichte Juliana ein Rätsel bleibt (ob für immer, oder ob sich das eine oder andere aufklärt, verrate ich natürlich nicht).
Parallel dazu erfährt der Leser, was sich in der Vergangenheit noch alles auf Burg Ehrenberg zugetragen hat. Beispielsweise gab es zuvor noch einen weiteren Toten, welcher unten in einem Turm liegt und gefunden wird. Was es damit auf sich hat, darüber hülle ich mich ebenfalls in Schweigen und beende meine Ausführungen hier.
Wird Juliana nun ihren Vater finden, und wird sie Antwort auf die in ihr brennenden Fragen bekommen? Wird sie Wolf jemals wiedersehen? Und welche Rolle spielt Konrad von Weinsberg, Vater von Carl, dem ersten Heiratskandidaten für Juliana vor dem Verschwinden ihres Vaters, in der Geschichte? Wird sie nach Hause zurückkehren, und wie wird es dann sein? All das erfahrt Ihr möglicherweise, wenn Ihr dieses Buch lest.

Meinung

Nachdem ich von Iny Lorentz' „Die Pilgerin“ nur mäßig begeistert war, war ich von Ulrike Schweikert's historischem Roman, der großteils auf dem Jakobsweg spielt, überaus positiv überrascht. Vielleicht hat die Tatsache, dass das Ganze mit einem weiteren spannungsgebenden Thema, nämlich den Templern, verknüpft wurde, auch seinen Teil dazu beigetragen. Wenngleich ich hinzufügen muss, dass die Templerthematik neben dem Rest der Geschichte einigermaßen „Beiwerk“ ist und Kenner dieser Thematik wohl hier nicht viel Neues erfahren dürften. Klar hat ein wesentlicher Spannungsfaktor, nämlich das mit dem mysteriösen Brief (nicht nur der aus dem Prolog, sondern auch ein anderer) etwas mit den Templern zu tun. Aber ansonsten ist es nur ein Thema von einigen. Die beiden Hauptthemen liegen nun einmal beim Jakobsweg sowie der Familiengeschichte und dem Verschwinden des Vaters, das höchstens indirekt etwas mit den Templern zu tun hat. Außerdem kommen sie unterwegs an verschiedenen Templerbauten vorbei, so dass man einiges über deren typischer Architektur und andere Dinge erfährt.

Was ebenfalls zur Spannung beiträgt, ist der genannte Aufbau, welcher zwischen zwei verschiedenen Zeiten hin- und herspringt, so dass sich dem Leser wie der Protagonistin erst nach und nach die Zusammenhänge erschließen. Das habe ich bereits weiter oben näher erläutert. Auf jeden Fall war mir beim Lesen zu keiner Zeit langweilig, ich wollte immer wissen, wie es weitergeht, und nirgendwo gab es irgendwelche Längen (wie denn auch, wenn die Perspektive in jedem Kapitel wechselt, jedoch ohne dass es irgendwie sprunghaft oder dergleichen wirkte). Die Handlung kommt gut voran, und ist zugleich schlüssig und logisch nachvollziehbar. Nebenbei wird auch die Umgebung atmosphärisch ausreichend dicht beschrieben, so dass man sich immer die Orte, in denen eine bestimmte Szene spielt, bildhaft vorstellen kann – ich denke, das gilt auch für Menschen, die keine Ortskenntnisse haben. Außerdem spielt es ohnehin in einer anderen Zeit, so dass einiges durchaus anders ausgesehen haben könnte wie heute. Aber das ist normal. Wiedererkennbare Merkmale, zum Beispiel Landschaften und alte Bauwerke, die damals schon standen, werden jedenfalls durch die Schilderungen im Buch wohl auch für Ortsunkundige vorstellbar. Obendrein sind diese Landschaften und die Umgebung authentisch beschrieben, wohlgemerkt ohne dass der Handlungsverlauf darunter leiden würde.

Weiterhin möchte ich lobend erwähnen, dass dieser Roman in einem sehr flüssigen, unterhaltsamen und ausschmückenden Schreibstil geschrieben ist. Ebenso ist er im Grunde leicht verständlich, da keinerlei Fachsprache verwendet wird. Und die eingestreuten mittelalterlichen Begriffe, etwa bezüglich der Kleidung, die man damals trug und die heute nicht mehr geläufig ist, oder bezüglich einiger Objekte, Lebewesen oder Gebräuche, kann man bei Bedarf hinten im Glossar nachlesen. Da sie aber niemals überhand nehmen, verlangsamt sich der Lesefluss dadurch nicht nennenswert, und sie haben mich auch nicht wirklich gestört, sondern trugen zur authentischen Atmosphäre bei. Ich finde, es gehört zu einem historischen Roman sogar dazu, und zeigt obendrein, dass die Autorin rundum gut informiert ist, ihre „Hausaufgaben“ als Autorin eines historischen Romans gemacht hat, und somit weiß, worüber sie schreibt. So wirkte auch nichts gekünstelt, sondern es wird das Gefühl vermittelt, dass es wirklich so hätte ablaufen können. Man fühlt sich direkt wie in diese Zeit, mitten ins Geschehen versetzt. Und ja: Bei der allgemein ernst anmutenden Thematik gibt es durchaus auch ein paar Stellen, welche etwas zum Schmunzeln anregen.

Das Einzige, was einige Leser eventuell verwirren könnte, ist vielleicht die relativ große Zahl der Charaktere. Ich persönlich bin mit der Zeit jedoch recht gut damit klargekommen. Und selbst, wenn man mal jemanden verwechselt oder dergleichen, ist das einerseits nur vorübergehend, und beeinträchtigt andererseits das Verständnis der Handlung daher nicht unbedingt. Deshalb ist das für mich kein Kritikpunkt, sondern sei nur angemerkt, damit Ihr wisst, was Euch bei der Lektüre diesbezüglich erwartet.

Karin 08.06.2010, 12.00

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