Ausgewählter Beitrag
Vertrauen - Zum Nachdenken und Mitfühlen
Die Begegnung
Langsam kommt er auf mich zu. Dieser Herr in schreiendem Rot, mit einem ziemlich abgetragen aussehenden Zylinder auf dem Kopf.
Als er schließlich vor mir steht und zu sprechen anhebt, zucke ich instinktiv zusammen.
Der feinmanierliche, schräg wirkende Vogel lächelt nur. »Gestatten? Mein Name ist Vertrauen, mit Vornamen Selbst.« Während er dies sagt, zieht er freundlich den Hut.
»Haben Sie keine Angst, junge Dame! Auch wenn meine Kleidung Sie in den Augen beißt - ich tu's nicht. Kommen Sie, schließen Sie die entzündeten Lider, da der Schein Sie sowieso nur trügt. Nehmen Sie blind meine Hand - sehen Sie? Sie haben intuitiv gewusst, wohin Sie greifen mussten.«
Meine Furcht ist verflogen. Jetzt kommt sie mir lächerlich vor, so weit weg, ja sogar fernab jeglicher Realität.
Und dieser Mann ...
Irgendetwas an ihm hypnotisiert mich, mischt sich in meine Gedanken, schlängelt sich weiter durch bis zu meinem Herzen, umschwirrt es still, um dann ohne Vorankündigung und nahtlos in es einzudringen und mit meinen Gefühlen eins zu werden.
Aber was ist es, was mich so magisch in seinen Bannkreis zieht?
Was ist es, was ihn so majestätisch in meinen Seelenstrudel gleiten lässt?
Ist es die Ruhe, die Gelassenheit, die uns wie ein Schutzmantel umgibt?
Die uns die Zuversicht gibt, dass alle dunklen Schatten vom Licht geblendet einen großen Bogen um uns machen, solange dieser verzauberte Moment anhält?
Plötzlich wird mir klar, dass es nicht nur ein Moment ist.
Das, was ich da gerade erlebe, ist etwas Ewiges.
So lange es da ist, ist es universal.
Unzerstörbar.
Makellos.
Keine Lecks, die das Schiff zum Sinken bringen können.
Keine scharfkantigen Unebenheiten, die weh tun könnten, wenn man mit dem Finger darüber streicht, um sich der Reinheit der Materie zu vergewissern.
Keine Zweifel.
Überhaupt keine Gedanken. Sämtlicher Sternenstaub ist aus meinem Gedächtnis gefegt, um Raum zu schaffen für das, was meine Welt zusammenhält.
Kaum öffne ich die Tür, weht es auch schon in Form warm wirbelnder Passatwinde in mein Hinterstübchen hinein, füllt alle Ecken darin aus ...
Ich fühle mich geborgen.
Geborgen in der Umarmung des Herrn Vertrauens, Selbst.
"Du darfst mich ruhig »Ich« nennen. Denn genau das bin ich. Du verstehst?"
Ich nicke stumm.
Dann schaue ich ihm ganz tief in die Augen, nähere mich seinem Gesicht und ...
Irgendwie fühlt sich der Kuss komisch an. Er ist so ... glatt, im wahrsten Sinne des Wortes. ZU glatt, um wahr zu sein. Aber ich will nicht drüber nachdenken, versinke in der Empfindung, die meine Seele durchtränkt wie ein sich immer neu aufsaugender Schwamm ...
Ich will sie festhalten.
Doch als ich einen Schritt zurücktrete, sehe ich es ... mein Spiegelbild.
Copyright Karin Scherbart
das ist eine schöne Geschichte vom Selbstvertrauen. Sie gefällt mir ausserordentlich gut. Da würden mir noch viele Begegnungen einfallen. Bin gespannt wen du noch begegnest.
vom 13.03.2006, 13.46