Welche Dimensionen unsere Gesellschaft des Wegschauens bereits
angenommen hat, wurde in letzter Zeit verstärkt an verschiedenen
Beispielen deutlich. Dennoch erschreckt es einen immer wieder, wenn man
sich die Folgen direkt vor Augen führt.
So werde ich es beispielsweise niemals verstehen, dass die Polizei
versucht hat zu verhindern, dass der Abschiedsbrief des Amokläufers
Sebastian veröffentlicht wurde. Und als dieser zwei Jahre vorher ganz
deutlich in einem Forum darauf hingewiesen hatte, dass er vorhabe, Amok
zu laufen, hat die Polizei nichts unternommen. Oder geht man noch
weiter zurück, als der spätere Täter offenbar selber an verschiedenen
Stellen wegen des Mobbings und dessen psychologischen Folgen um Hilfe
bat, nahm auch dann keiner ihn Ernst.
Die Tat hätte verhindert werden können...
und trotzdem wurde nichts getan!
Und nun hatten unterschiedliche Medien und vor Allem ein Großteil der
Politik auch noch bekanntermaßen versucht, vom eigentlichen Problem
abzulenken, indem sie irgendwelche gefährlichen Computerspiele
verbieten wollen. Über die und deren pädagogisch schädliche Wirkung
kann man sich natürlich streiten...
aber das ist doch im Moment nicht
die Hauptsache!!! Und außerdem bringen Spiele doch niemanden um -
Waffen schon. Verzweifelte Menschen, deren Verzweiflung sie irgendwann
in diesen Wahnsinn getrieben hat, aus dem sie alleine nicht mehr
herauskommen, auch.
Drei Dinge regen mich in dem Zusammenhang auf und wollen mir nicht aus dem Kopf:
1.
Eine Gesellschaft des Wegschauens
- allgemein, ohne jetzt die Schuld irgendwelchen Einzelpersonen zu
geben - das ist so umfassend, und die meisten, die wegschauen, haben da
irgendwo ihren Anteil, sowohl das soziale Umfeld als auch (und vor
Allem) verantwortliche Institutionen und Menschen, die eigentlich als
Ansprechpartner dienen sollten.
2. Dass - mal pauschal gesagt, ohne natürlich zu pauschalisieren - nicht einmal auf die
Polizei mehr
hundertprozentig Verlass ist, dass sie rechtzeitig eingreift, bevor
etwas geschieht - auch wenn ganz deutliche Anzeichen bestehen, dass
eine Tat passieren wird; dass diese - mehr noch - versucht, es zu
vertuschen (vielleicht auch, um sich aus der Verantwortung zu
stehlen?).
3. Das (eigentlich typische, in dem Zusammenhang aber besonders erschreckend lächerliche)
Verhalten mancher Politiker - und der Medien, die das mittragen - die immer wieder versuchen, von den wirklichen Problemen abzulenken. hat aber in dem Fall nicht geklappt, und ich denke, dass die Entwicklung jetzt vielleicht ma endlich in die Richtung geht, dass - jetzt, wo die Wahrheit immer mehr ans Licht kommt - das Notwendige erkannt wird und dann auch entsprechend gehandelt wird. Internet sei Dank - dafür, dass es hoffentlich diesmal Augen öffnet!
Zum Schluss noch ein
interessanter Link. In dem Artikel findet sich (neben vielen weiteren aufschlussreichen Links, darunter auch von einem, der in einer ähnlichen psychischen Situation steckte, bei dem es aber zum Glück nicht zum Ausbruch kam) auch ein direkter Link zum vollständigen Abschiedsbrief des Täters, den ich zum besseren Verständnis nur empfehlen kann (nichts für allzu zartbesaitete - ich musste selbst mehrmals innehalten, um diesen harten Tobak zu verarbeiten), den ich aber nicht direkt verlinken möchte. Ich war nach dem Lesen sehr entsetzt und betroffen - ich war danach wie gelähmt und fand keine Worte.
Was mir ebenfalls zu denken gibt, ist, dass der politische Wahnsinn sogar schon dahin geht, dass Parteigenossen, die mit ihrer Meinung von der Parteilinie abweichen, eben weil sie anderer Meinung sind, von anderen, meist bekannteren, Politikern,
verklagt werden, als direkter Versuch, ihnen einzuschüchtern.
Mir war bisher nicht bewusst, was für Ausmaße der politische Wahnsinn (mir fällt im Moment kein anderer Ausdruck ein) schon angenommen hat.
Aber in Anbetracht unterschiedlicher Sachverhalte (Zensur durch die Polizei, in anderen Fällen einseitige Medienberichte, oder in noch anderen Fällen eine Art Medienzensur, Abmahnungswellen von Internetseiten und Blogs, und nun dieses eine Beispiel aus der Politik) stelle ich mir doch allmählich die Frage, wie es denn tatsächlich um unsere im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit bestellt ist.
Wird es am Ende noch so enden, dass eine Art Meinungskontrolle stattfinden wird, in der alles verurteilt wird, was nicht im Rahmen eines Meinungsmonopols verläuft? Wird dann alles, was diesem nicht entspricht, einfach ignoriert? Na, dann wäre es auch kein Wunder, dass dann wieder irgendwann einmal einer, der sich ausgestoßen fühlt, rebelliert, weil er keine andere Möglichkeit mehr sieht, sich anders irgendwie Gehör zu verschaffen...
Reden... Hinhören und -sehen... Sensibilität dafür, wenn irgendetwas nicht stimmt... und im richtigen Moment handeln... man kann es nicht oft genug wiederholen, aber das sind die "Waffen", die Eskalationen welcher Art auch immer verhindern helfen können.
Nicht nur dich lässte das nicht los. Und genau wie du sehe ich in diesem Fall die Gleichgültigkeit, das Wegsehen und anhaltbare Argumentationen der Politker, was die Ursachen betrifft.
Danke für die Links, das war noch einmal informativ und vor allem interessant.
LG Evi
vom 25.11.2006, 12.23
Gern geschehen. :)