Ausgewählter Beitrag
Wenn jeder nur an sich denkt,
ist an alle gedacht. Das scheint heute ein allgemeines Phänomen zu
sein, dass sich durch die gesamte Gesellschaft (ist es dann noch eine?
Ja, aber eine kaputte!) zieht und eine der negativen Folgen der
Individualisierung jener ist. Womit ich keineswegs diese
Individualisierung schlecht reden will, aber es ist nun einmal so, und
keiner, der Teil dieser Ego-Gesellschaft ist (also alle) kann sich dem
entziehen geschweige denn sich aus der Verantwortung dafür stehlen.
Auch ich schließe mich davon keineswegs aus. Ich gebe sogar ganz offen
zu, dass ich oft in erster Linie an mich denke und zuerst mein Ding
zuende mache, bevor ich mich dann anderen zuwende. Nicht immer sehe
ich, was auf der Hand liegt, und auch wenn ich mich bemühe, Menschen zu
helfen, wenn sie ihrer dringend bedürfen, kann es sein, dass ich
irgendwann einmal eine Unterstützung hinausgezögert, verschoben oder in
manchen Fällen auch mal nicht gesehen habe, dass jemand Hilfe braucht.
Ich meine klar, in offensichtlichen Fällen, wenn eine Oma über die
Straße will oder jemand in irgendeiner Form (auch verbal) niedergemacht
wird, dann handle ich schon, und zwar sofort. Erst Recht, wenn es um
Leben und Tod geht. Aber in anderen Fällen, wo die Hilfe nicht
unbedingt akut ist, kann es durchaus manchmal anders aussehen.
Manchmal ist es aber auch umgekehrt, aber das sind dann meist kleinere
Dinge - oft auch dann, wenn ich eigentlich anderes zu tun hätte und
mich ablenken will - also doch gewissermaßen ein Egogrund... Gibt es
überhaupt etwas, was man nicht egoistisch auslegen kann? Ich meine, so
lange wir ein Ego haben / wir selbst sind? Sehnen wir uns nicht alle zumindest in einem
bestimmten Grad hin und wieder nach Anerkennung für unsere
Hilfestellung, Gesten und Worte?
Wenn man selber ein Mensch ist, dem es eher schwer fällt, Hilfe
anzunehmen, so lange man es auch allein meistern kann (gut, manchmal
macht man sich das auch so lange vor, im Extremfall bis man seine
Hilflosigkeit wirklich nicht mehr vor sich selbst verleugnen kann -
aber das ist dann eine andere Sache; wichtig ist, dass man es
spätestens dann erkennt, wenn es nicht mehr anders geht, wenn man gar
nicht mehr alleine weiterkommt und bevor es zu spät ist) - ja, wenn man
diese Situation, diesen Wunsch, ein Problem auch alleine zu bewältigen,
um besser daraus zu wachsen, kennt, dann versteht man auch, wie
unangenehm es für andere ist, gegen ihren Willen geholfen zu werden.
Zur Hilfeannahme gezwungen zu werden.
So wie auch alle anderen Formen von Zwang und Dingen, die als solchen
empfunden werden, kann das für denjenigen sehr, sehr schlimm sein, wenn er
derart in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt wird. Das kann fast genauso katastrophal sein wie eine nicht gewährte Hilfe oder gar Ignoranz.
Echte Hilfe, die willkommen und notwendig ist, stellt hingegen keine
Einschränkung dar. Sie kann sogar zur Befreiung, von einem Problem, einem
Leid, einer mehr oder minder schweren seelischen Belastung, werden.
Eine Befreiung sowohl für den Befreiten, als auch für das soziale
Umfeld, weil dadurch ein Konfliktherd, der sich sonst möglicherweise
angebahnt hätte, verhütet wurde.
Hallo Nachteulenschwester!
Danke für diesen interessanten Beitrag! Ich konnte auch mit den Sätzen gut! ;-)
Das mit den zu sehr aufdrängenden Helfern kenne ich bei mir nicht. vielleicht auch, weil ich jede Hilfe immer zuerst abgeblockt habe, außer in großer Not immer erfolgreich. Ich gehöre zu denen, die Hilfe nur äußerst schwer annehmen können und habe nie darüber nachgedacht, warum. Auch jetzt weiß ich es noch nicht. Es ist mir vielleicht einfach peinlich, anderen Zeit und Kraft wegzunehmen. Dabei würde ich mich so gerne manchmal fallen lassen. Aber es geht nicht, ein Fehler und vermutlich enttäusche und verärgere ich manche mit meiner Verweigerung. Ein Beispiel: Letztes Jahr lag ich mit Grippe 2 Wochen lang ganz allein zu Hause. Ich "habe" eben niemanden, muss alleine, habe es gelernt. Eine Freundin, als sie es später erfuhr hat furchtbar geschimpft, ich hätte mich in der Not melden müssen, sie war enttäuscht, dass ich es nicht getan hatte und fühlte sich als Freundin missachtet. Tja. Jeder hat halt seine Verformungen aus der Kindheit, das ist eine meiner. In der Familie Hilfe brauchen war immer mit... wie soll ich es gerecht ausdrücken... unguter Körpersprache der Helfenden verbunden. Ich könnte anstecken u.s.w. Das prägt...
Ich werde noch darüber nachdenken ob es wirklich so war oder ob ich ungerecht bin..
Beim selber helfen verlege ich mich meist eher auf Seelenhilfen. Trösten, aufbauen und sowas. Hineilen um zu tun habe ich auch schon gemacht, muss mich aber schon dazu überwinden. Außer es geht um Ungerechtigkeiten, da bin ich da und werde sehr aktiv.
Danke für die Anregung!
Liebe Grüße
Tirilli
vom 28.11.2006, 03.26
Gern geschehen. Danke auch für Deinen interessanten, aber auch persönlichen Kommentar. Ich selbst könnte glaube ich nicht so offen reden (auch wenn ich natürlich Deine Erfahrungen nicht kenne).
Alles Gute! Karin