Manchmal wollen die Worte nicht kommen. Sie stecken in mir drin, aber sie können nicht heraus, sind eingesperrt in einem Gefängnis namens Angst.
Angst, etwas Falsches zum falschen Zeitpunkt zu sagen.
Angst, miss- oder gar nicht verstanden zu werden.
Angst vor der Reaktion.
Angst zu verletzen.
Angst vor Ignoranz.
Dann greife ich zu Stift und Papier. Sie sind der Schlüssel, der meine Worte befreit und den Käfig der Angst weit unter sich zurücklässt. Denn:
Ich weiß, dass es mein Reich ist, dessen Botschaften ich auf diese Weise übermittle.
Keine äußeren Einflüsse stören mich dabei, das wiederzugeben, was mir wirklich wichtig ist. Nur die Gedanken müssen fließen, und ich habe alle Zeit, die ich brauche, um das Flussbett zu graben und es je nach Lage und Geschmack mit Trauerweiden oder Birken, Schilfpflanzen oder Steinen, Klapperstörchen oder Stockenten, Singvögeln oder Stechmücken, einzusäumen.
Den Zeitpunkt, an dem ich das in Worte Gefasste übermittle, bestimme ich ebenso wie die Form.
Ob ich verstanden werde, ist eine andere Sache, Nicht jeder Leser kann mich verstehen, und es muss auch nicht alles verstanden werden. Aber das geschriebene Wort hat einen erheblichen Vorteil gegenüber dem gesprochenen: Es kann in Ruhe seine Wirkung entfalten, man kann es drei- oder fünfmal lesen, vielleicht jedes Mal anders, doch irgendetwas kann jeder daraus ziehen, der es liest jeder für sich, auf seine Weise, auch wenn es gar nichts mit dem zu tun hat, was der Autor sich beim Schreiben gedacht hat.
Vor den Reaktionen des geschriebenen Wortes brauche ich mich nun wirklich nicht zu fürchten. Schließlich habe ich mir reiflich überlegt und abgewogen, was ich wie zum Ausdruck bringe. Ich stehe hinter meinen Gedanken. Mir ist klar, dass nicht jeder daran Gefallen finden kann. Ich muss nicht jedem gerecht werden, und brauche meine Worte nicht extra zu rechtfertigen. Stehen sie erst einmal da, dann ist es halt so. Diskutieren kann man immer, auch Kritik üben. Aber niemals die Worte an sich, ihre Authentizität in Frage stellen. Und wenn sich die Gedanken, die sie ausdrücken, weiterentwickelt haben, gibt es neue Worte. Das macht die alten noch lange nicht bedeutungslos. Wie sonst könnte der Entwicklungsprozess wahrhaft nachvollzogen werden, wenn nicht die Überleitungsbrücken dokumentiert wären?
Bleibt noch die Sache mit der Ignoranz. Natürlich gibt es auch Menschen, denen das, was ich schreibe, piepegal ist bzw. an einem bestimmten Körperteil vorbeigeht. Ich kann und muss nicht alle erreichen. Aber das ist auch nicht das Ziel.
Das Schöne am Schreiben ist doch, dass es Menschen mit ähnlichen Interessen verbindet. Aber auch Menschen mit gegensätzlichen Ansichten einander in die Arme treibt, statt sich die Köpfe einzuschlagen.