»Die Herzen werden dem Papst nicht zufliegen.« So titelte unsere Tageszeitung gestern zum geplanten Papstbesuch in Ankara.
Aber wer sagt denn, dass sie ihm zufliegen sollen? Schließlich sind die Zeiten der Missionierung Gott sei Dank endgültig vorbei.
Dass das Christentum in islamisch-türkischen Kreisen teilweise ein Feindbild darstellt, auch weil einige Vertreter eine bekannte
Papstrede (ich meine: mit Absicht!) falsch interpretiert bzw. vermeintlich islamkritische Elemente darin sehen wollten (wer die Rede oder den Auszug daraus gelesen hat, konnte sich ein Bild davon machen, dass dem nicht so ist), ist indes sehr bedauerlich. Und Ratzingers Kritik am EU-Türkeibeitritt halte ich auch nicht für ein hinreichendes Argument, um diesen teilweisen Hass zu »rechfertigen«.
Persönlich bin ich
für den Beitritt der Türkei in die EU, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Auch wenn die Entwicklungen nur schleppend verlaufen und sich noch einiges tun muss (das ist klar). Denn ein EU-Beitritt könnte diese Entwicklungen hin zum Besseren noch beschleunigen. Tritt die Türkei nicht bei, wird auch der Druck nicht da sein, irgendetwas an den Verhältnissen zu ändern.
Beispiel: Die Situation religiöser Minderheiten in der Türkei. Anfang des 20. Jh. gab es dort noch mehr als 20 % Christen insgesamt (davon 11 000 orthodoxe Christen noch in den 60er Jahren allein in Istanbul). Heute sind es nur noch maximal 120 000 (21 orthodoxe Christen in Istanbul, die zur Kirche gehen). Die meisten sind wohl abgewandert, weil sie nicht die Möglichkeit sahen, ihren Glauben richtig zu leben und sich vom türkischen Staat stark gegängelt fühlten.
Noch heute ist es so, dass religiösen Gemeinden in der Türkei
keine eigene Rechtspersönlichkeit zugestanden wird. Sie dürfen sich nur in Stiftungen organisieren, die allerdings gewissermaßen vom Staat kontrolliert werden. Denn der zu bildende Stiftungsvorstand untersteht dem Generaldirektorat für nichtmuslimische Stiftungen. Außerdem stellt sich für sie noch das Problem, wie sie sich finanzieren können, zumal sie dort kein eigenes Eigentum erwerben und keine Schenkungen oder Spenden annehmen können.
Auch neue Kirchen zu bauen oder alte zu renovieren, wird vom türkischen Staat sehr erschwert und bedarf einer Genehmigung (dreimal dürft Ihr raten, wie oft oder selten diese erteilt wird... ich habe keine Ahnung).
Hinzu kommt noch, dass es den Christen in der Türkei nicht erlaubt ist, ihren Nachwuchs auszubilden geschweige denn Priester aus dem Ausland anzuwerben.
Nein, in einem Staat, wo
Glaube eine Sache fehlender Mittel und Voraussetzungen ist und wo Minderheitsreligionen quasi dazu verdammt werden auszusterben (zumindest in der Theorie), würde ich auch nicht leben wollen.
Dabei gibt es auch - das möchte ich nicht unerwähnt lassen -
Lichtblicke. Ein katholischer Pfarrer erhielt kürzlich als Erster nach langem diplomatischem Kampf eine Arbeitserlaubnis in der Türkei. Hoffen wir, dass es nicht der Einzige bleibt. Nur nicht nachlassen! (Das meine ich auch für andere Minderheitsreligionen!)
Nun wird also Papst Benedikt (ob sein Herz mitfliegt, weiß ich ja nicht) nach Ankara fliegen. Schön. Es wird zwar nicht gerade das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen und vor Allem deren Vertretern radikal in eine zuckersüße Romanze umwälzen. Aber zumindest ist es, denke ich, ein kleiner Schritt nach vorn. Ein winziger Funke, doch immerhin ein Funke, ein Zeichen des Friedens und guten Willens dazu. Vielleicht springt er bei dem einen oder anderen über, vielleicht auch nicht. Schaden kann er jedenfalls nicht.