Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass ich nichts gegen den Islam
habe - ich akzeptiere diese Religion wie alle anderen
Glaubensrichtungen auch. Das bedeutet allerdings umgekehrt auch nicht,
ich würde als Angehörige der europäischen / westlichen Kultur bestimmte Ansichten daraus unterstützen oder gar befürworten.
Im Übrigen dürfte bekannt sein und möchte ich nochmals darauf
hinweisen, dass solche Ansichten zum Großteil wie alle anderen
Ansichten Interpretationssache sind und somit von bestimmten Menschen
immer so herum gedreht werden können, wie es ihnen gerade passt - ob es
sich um Fundamentalisten gleich welcher Art, Verfechter westlicher
Werte oder um Miesmacher handelt. Das trifft übrigens auf alle
Glaubensschriften und nicht nur auf den Koran zu; schließlich wurde
beispielsweise auch die Bibel einst im Mittelalter dazu missbraucht, im
Rahmen der Inquisition viele unschuldige Menschen umzubringen.
Und wenn man etwa nach frauenfeindlichen und / oder unemanzipatorischen
Aussagen sucht, dann wird man sicherlich außer im Koran auch in der
Bibel oder in der Thora fündig werden - irgendwelche Argumente zum
Schlechtmachen finden sich immer. Wie gesagt, alles
Interpretationssache.
Ãœber das
Urteil der Richterin
über eine Scheidung marokkanischer Eheleute habe ich mich natürlich -
wie viele andere auch - aufgeregt. Die Frau, die die Scheidung
durchsetzen wollte, wurde nachweislich so von ihrem Mann misshandelt /
geschlagen, dass ein weiteres Zusammenleben bis zum Ende des islamisch
vorgeschriebenen (?) "Trennungsjahres" nicht vertretbar wäre - und dann
beruft sich diese Richterin auf eine sehr strittige Koransure!
Für die, die noch nicht wissen, worum es geht: Der 34. Vers der vierten Sure lautet vollständig:
"Die Männer haben Vollmacht und Verantwortung gegenüber den Frauen, weil
Gott die einen vor den anderen bevorzugt hat und weil sie von ihrem
Vermögen (für die Frauen) ausgeben. Die rechtschaffenen Frauen sind
demütig ergeben und bewahren das, was geheimgehalten werden soll, da
Gott es geheimhält. Ermahnt diejenigen, von denen ihr Widerspenstigkeit
befürchtet, und entfernt euch von ihnen in den Schlafgemächern und
schlagt sie. Wenn sie euch gehorchen, dann wendet nichts Weiteres gegen
sie an. Gott ist erhaben und groß." *
Dass die überholte / traditionelle Rollenverteilung einer der
Punkte ist, der ich am Islam kritisch gegenüberstehe, sollte klar sein.
Aber wenden wir uns gleich der (dick unterlegten) entscheidenden Stelle
zu, die besagte Frau Richterin für ihren höchst bedenklichen
Richterspruch benutzt hat. Womit wir wieder ganz schnell beim Aspekt
der Interpretation wären.
In Wahrheit interpretieren nämlich laut einer weiteren
Informationsquelle** auch viele Muslime das "schlagt sie" heutzutage
nicht wörtlich, sondern mit "sich trennen". Nur wirklich konservative
Muslime nehmen es oft wortwörtlich. (Und ich denke mal, dass auch von
denen, die es wörtlich nehmen, sicher nicht alle es auch automatisch
und ohne schlechtes Gewissen umsetzen - jedenfalls maße ich mir nicht
an, das zu pauschalisieren, denn das steht mir nicht zu. Dazu müsste
man in sämtliche muslimische Haushalte gucken und DANN erst vergleichen
/ urteilen, aber das ist kaum möglich.) Außerdem steht an anderer
Stelle wiederum, dass die Frau gut behandelt werden soll.
Grundsätzlich habe ich nichts dagegen (Bitte erst weiterlesen, und DANN
erst eventuelle Kritik, die sicher kommen wird, äußern!), wenn man bei
der Urteilsfindung auch das jeweilige ausländische Recht der am Prozess
Beteiligten
mit zu Rate zieht. Wir leben nun einmal in einer
pluralistischen Gesellschaft, und wenn man da die eventuellen
kulturellen Unterschiede in den Sichtweisen vollkommen ignoriert, führt
das doch nur dazu, dass sich Menschen übergangen fühlen, und das ist
nicht gut für eine friedliche Gemeinschaft.
Voraussetzung für eine vertretbare Umsetzung, in der
beide Rechtsanschauungen miteinander vereinbart werden können, ist freilich, dass es im Interesse aller Beteiligten liegt
Die Grenze
ziehe ich persönlich da, wo es (also wenn das Urteil hier bei uns vor
einem nationalen Gericht gefällt wird - von solchen Fällen rede ich)
im Widerspruch zu unserem demokratischen Rechtssystem steht und unsere
menschlichen Grundrechte mit Füßen tritt (allen voran:
"Die Würde des
Menschen ist unantastbar").
Genau dies ist in dem vorliegenden Fall geschehen und aus dem Grund ist es verwerflich.
Meiner Ansicht nach muss man jeden Fall nach den obigen Kriterien einzeln betrachten und entscheiden.
Beispiel Kinderfrage bei Scheidungen: Hier
würde ich eher für eine Anwendung des nationalen (deutschen, wenn sich
der Fall in Deutschland abspielt) Rechts plädieren, da im islamischen
Recht häufig
nur zu Gunsten des Mannes geurteilt wird.
Allerdings vermute ich auch, dass diese Tatsache wohl auch darauf
zurückzuführen ist, dass in islamischen Ländern / Kreisen immer noch
die Männer die Entscheidungsmacht haben und den Koran entsprechend zu
ihren Gunsten auslegen. Denn in der Sure 4, 32. Vers heißt es
ausdrücklich:
"Die Männer erhalten einen Anteil von dem, was sie erworben haben, und
die Frauen erhalten einen Anteil von dem, was sie erworben haben."
Auf das Erziehungsrecht übertragen würde das bedeuten: Wenn ein
scheidendes Ehepaar etwa zwei Kinder hat, bekommt jeder eines - oder
wenn ein Elternteil beide Kinder bekommt, hat das andere Elternteil das
Recht, die Kinder zu sehen. (Wenn das allerdings zum nachweislichen
Nachteil des Kindes wäre, weil beispielsweise die konkrete Gefahr
bestünde, dass es vom Vater misshandelt oder geschlagen würde, würde
ich dem Vater eindeutig nach deutschem Recht den Kontakt mit dem Kind
verbieten).
Es gibt noch andere Beispiele, wo ich Entscheidungen nach islamischem
Recht NICHT vertreten würde. So kann ich es nicht verstehen, dass man
das betäubungslose Schächten von Tieren nach islamischen Ritus
grundsätzlich hier erlaubt (mit hohen Auflagen, aber immerhin!). Und
dass so genannte "Ehrenmorde" nicht härter bestraft werden, finde ich
sowieso unmenschlich.
Umgekehrt bin ich unbedingt dafür, dass muslimische Frauen /
Lehrerinnen ihr Kopftuch auch bei der Arbeit anbehalten dürfen -
zumindest so lange, wie andere religiöse Symbole wie etwa ein Kreuz als
Halskette ebenfalls selbstverständlich getragen werden dürfen.
* Wer selbst einmal im Koran in seinen 6 verschiedenen Versionen etwas nachlesen will, kann das
hier tun. Für das Zitat habe ich die Version von Khouri verwendet.
** Artikel: "In Einzelfällen gilt ausländisches Recht" von A. Gorzewski, in der Dürener Zeitung, 23.03.2007, Infokasten.