In
diesem Buch erzählt Evelyn Sanders von ihren
Kindheitserinnerungen zur Kriegszeit sowie den ersten Jahren nach dem
Krieg.
Aufgewachsen in Berlin-Zehlendorf, erlebt sie im zweiten Weltkrieg die
Fliegeralarme und Lebensmittelknappheiten und alle Schwierigkeiten, die
sich im täglichen Alltag des Krieges so ergeben.
Als der Krieg in den
Jahren vor seinem Ende seinen schrecklichen Höhepunkt erreicht, wird
sie wie viele andere Kinder aufs Land geschickt, damit sie dort zur
Schule gehen kann. Zusätzlich zu der Trennung von der Familie kommt
noch hinzu, dass die Lebensbedingungen auf dem Land v.A. zu jener Zeit
für ein Stadtkind, auch wenn die Pflegeeltern sich noch so freundlich
bemühen, schon sehr gewöhnungsbedürftig sind.
Nur kurz ist sie beim BDM
(wegen ihres Alters kam sie zum Glück erst sehr spät überhaupt hinein -
sich entziehen konnte man sich dem übrigens nicht wirklich), denn eines
Tages taucht ihre Mutter auf und holt sie über Umwege und mit vielen
Tricks (damals brauchte man ja für alles Genehmigungen - auch für den
Transport - und alles wurde sehr streng registriert und kontrolliert)
zurück in ein Berlin, das kaum mehr wiederzuerkennen ist.
Seltsamerweise blieb Zehlendorf von den Bombenangriffen verschont - die
häufigen Strom- und U-Bahn-Ausfälle etc. bekommen jedoch auch dessen
Bewohner genauso zu spüren wie alle anderen.
Nach Ende des Krieges wird es natürlich nicht von einem Tag auf den
anderen besser. Der Wiederaufbau nimmt sehr viel Kraft in Anspruch. Aus
Mangel an frischen Lebensmitteln wird sehr viel mit Aromen zugesetzt
und statt echten Kaffee gibt es nur Kaffee-Ersatz. Am Anfang des Monats
stehen sie ab 08.00 Uhr in meterlangen Schlangen vor den
Lebensmittelläden, bei denen sie eingetragen sind, und hoffen, dass sie
für ihre Lebensmittelkarten, wenn sie an der Reihe sind, auch das
bekommen werden, was draufsteht (und nicht wieder mal nur Ersatz). Der
Schwarzmarkt und der Tauschhandel blühen als einziger
"Wirtschaftszweig".
Die Schulen nehmen ihren Betrieb wieder auf, so gut
es eben geht (anfangs muss man auf bereits pensionierte Lehrer
zurückgreifen, um überhaupt Lehrkräfte zu haben), jedoch erstmal in
kleineren Räumlichkeiten, ohne Lehrbücher und mit mangelndem
Schulmaterial (kaum Papier), häufig - wie immer - auch ohne Strom und
im Winter mit verkürztem Stundenplan, weil es sich in der eisigen Kälte
eben nicht gut lernt oder lehrt. Wer als Erwachsene Glück hat, verdient
sich als Housemaid in einem von Amerikanern besetzten Haus etwas dazu,
obwohl das Geld praktisch keinen Wert hat (oft tauscht man in
Naturalien)...
Später wird es - wenn auch mit erheblichen logistischen Schwierigkeiten
- wieder möglich, in den Urlaub ans Meer zu fahren. Zumindest, wenn man
über die entsprechenden Beziehungen verfügt. Dann kommen die ersten
Kriegsgefangenen zurück, und einige ziehen in eine weniger ruinierte
Stadt im Westen, so lange der Umzug noch bezahlbar ist...
Fazit:
Sehr interessant, (wo möglich) mit viel Witz und mit Charme, erzählt
die Autorin völlig klischeefrei, aber auch ohne Beschönigungen, ihre
Geschichte. Obwohl diese locker und aus der manchmal etwas naiven
Perspektive des Kindes, das sie damals war, geschrieben ist, und somit
jeglicher Melancholie entbehrt (nicht zu viele Jammereien, die an den
Verhältnissen gar nichts geändert hätten), spürt man doch recht
deutlich die bedrückende Stimmung der Situation, in der sich diese
Menschen in jener Epoche befanden.
Das schwierige Thema wurde hier auf angemessene Weise angepackt und ist
so volksnah und unkompliziert, dass Menschen jeden Bildungsstandes sich
dazu angeregt fühlen können, dieses Buch zu lesen. Es liest sich leicht
und ist daher auch für Menschen geeignet, die davor zurückschrecken,
ellenlange und trockene Geschichtsbücher zu lesen.