Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Politik

Was mich nicht loslässt

Welche Dimensionen unsere Gesellschaft des Wegschauens bereits angenommen hat, wurde in letzter Zeit verstärkt an verschiedenen Beispielen deutlich. Dennoch erschreckt es einen immer wieder, wenn man sich die Folgen direkt vor Augen führt.

So werde ich es beispielsweise niemals verstehen, dass die Polizei versucht hat zu verhindern, dass der Abschiedsbrief des Amokläufers Sebastian veröffentlicht wurde. Und als dieser zwei Jahre vorher ganz deutlich in einem Forum darauf hingewiesen hatte, dass er vorhabe, Amok zu laufen, hat die Polizei nichts unternommen. Oder geht man noch weiter zurück, als der spätere Täter offenbar selber an verschiedenen Stellen wegen des Mobbings und dessen psychologischen Folgen um Hilfe bat, nahm auch dann keiner ihn Ernst.

Die Tat hätte verhindert werden können... und trotzdem wurde nichts getan!

Und nun hatten unterschiedliche Medien und vor Allem ein Großteil der Politik auch noch bekanntermaßen versucht, vom eigentlichen Problem abzulenken, indem sie irgendwelche gefährlichen Computerspiele verbieten wollen. Über die und deren pädagogisch schädliche Wirkung kann man sich natürlich streiten... aber das ist doch im Moment nicht die Hauptsache!!! Und außerdem bringen Spiele doch niemanden um - Waffen schon. Verzweifelte Menschen, deren Verzweiflung sie irgendwann in diesen Wahnsinn getrieben hat, aus dem sie alleine nicht mehr herauskommen, auch.

Drei Dinge regen mich in dem Zusammenhang auf und wollen mir nicht aus dem Kopf:
1. Eine Gesellschaft des Wegschauens - allgemein, ohne jetzt die Schuld irgendwelchen Einzelpersonen zu geben - das ist so umfassend, und die meisten, die wegschauen, haben da irgendwo ihren Anteil, sowohl das soziale Umfeld als auch (und vor Allem) verantwortliche Institutionen und Menschen, die eigentlich als Ansprechpartner dienen sollten.
2. Dass - mal pauschal gesagt, ohne natürlich zu pauschalisieren - nicht einmal auf die Polizei mehr hundertprozentig Verlass ist, dass sie rechtzeitig eingreift, bevor etwas geschieht - auch wenn ganz deutliche Anzeichen bestehen, dass eine Tat passieren wird; dass diese - mehr noch - versucht, es zu vertuschen (vielleicht auch, um sich aus der Verantwortung zu stehlen?).
3. Das (eigentlich typische, in dem Zusammenhang aber besonders erschreckend lächerliche) Verhalten mancher Politiker - und der Medien, die das mittragen - die immer wieder versuchen, von den wirklichen Problemen abzulenken. hat aber in dem Fall nicht geklappt, und ich denke, dass die Entwicklung jetzt vielleicht ma endlich in die Richtung geht, dass - jetzt, wo die Wahrheit immer mehr ans Licht kommt - das Notwendige erkannt wird und dann auch entsprechend gehandelt wird. Internet sei Dank - dafür, dass es hoffentlich diesmal Augen öffnet!

Zum Schluss noch ein interessanter Link. In dem Artikel findet sich (neben vielen weiteren aufschlussreichen Links, darunter auch von einem, der in einer ähnlichen psychischen Situation steckte, bei dem es aber zum Glück nicht zum Ausbruch kam) auch ein direkter Link zum vollständigen Abschiedsbrief des Täters, den ich zum besseren Verständnis nur empfehlen kann (nichts für allzu zartbesaitete - ich musste selbst mehrmals innehalten, um diesen harten Tobak zu verarbeiten), den ich aber nicht direkt verlinken möchte. Ich war nach dem Lesen sehr entsetzt und betroffen - ich war danach wie gelähmt und fand keine Worte.



Was mir ebenfalls zu denken gibt, ist, dass der politische Wahnsinn sogar schon dahin geht, dass Parteigenossen, die mit ihrer Meinung von der Parteilinie abweichen, eben weil sie anderer Meinung sind, von anderen, meist bekannteren, Politikern, verklagt werden, als direkter Versuch, ihnen einzuschüchtern.
Mir war bisher nicht bewusst, was für Ausmaße der politische Wahnsinn (mir fällt im Moment kein anderer Ausdruck ein) schon angenommen hat.
Aber in Anbetracht unterschiedlicher Sachverhalte (Zensur durch die Polizei, in anderen Fällen einseitige Medienberichte, oder in noch anderen Fällen eine Art Medienzensur, Abmahnungswellen von Internetseiten und Blogs, und nun dieses eine Beispiel aus der Politik) stelle ich mir doch allmählich die Frage, wie es denn tatsächlich um unsere im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit bestellt ist.
Wird es am Ende noch so enden, dass eine Art Meinungskontrolle stattfinden wird, in der alles verurteilt wird, was nicht im Rahmen eines Meinungsmonopols verläuft? Wird dann alles, was diesem nicht entspricht, einfach ignoriert? Na, dann wäre es auch kein Wunder, dass dann wieder irgendwann einmal einer, der sich ausgestoßen fühlt, rebelliert, weil er keine andere Möglichkeit mehr sieht, sich anders irgendwie Gehör zu verschaffen...

Reden... Hinhören und -sehen... Sensibilität dafür, wenn irgendetwas nicht stimmt... und im richtigen Moment handeln... man kann es nicht oft genug wiederholen, aber das sind die "Waffen", die Eskalationen welcher Art auch immer verhindern helfen können.

Karin 24.11.2006, 19.09 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Was tut man,

...wenn einem nachts, während noch die halbe Welt schläft, man selbst aber nicht schlafen kann, weil man den ganzen Sonntag verpennt hat, der Hunger packt?
Richtig: Man verlegt das Frühstück eben ein paar Stunden nach vorne und süppelt dann am PC, während man seinen ersten Blogbeitrag des Tages verfasst, seinen ersten Cappuccino (Cappuccino, weil man ja nicht gleich mit der härtesten braunflüssigen "Morgenmuffel-Droge" beginnen möchte :))). Zumindest wenn man noch dazu Karin Scherbart heißt. ;)
Nun, der Kaffee und hin und wieder ein Glas Wein oder Bier sind aber zum Glück die einzigen "Drogen", die ich zu mir nehme, und nach keinem davon bin ich süchtig.
Und in Anbetracht dessen, dass gewisse Substanzen in weitaus gefährlicheren Drogen - im wörtlichen wie tatsächlichen Sinne - so viel Geld auffressen können, kann ich nur jedem raten: Lasst die Finger weg von dem Zeug!
Und zum Thema "braun" möchte ich auch noch etwas bloggen, aber das ist ein Thema für sich und passt natürlich überhaupt nicht in so einen "Kaffeeklatschbeitrag". Ich wollte nur erstmal vorsichtig wieder damit beginnen, nicht ganz so leichte Themen im Blog zu behandeln. Vorsichtig, das heißt so, dass sich keiner den Magen dran verdirbt oder sich an seiner morgendlichen Tasse verschluckt. Einfach aus Rücksicht und damit der Kontrast nicht zu groß wird, wenn ich auf einmal wieder zu ernsteren Themen umschwenke.
Zunächst noch ein vorhersehbarer Fauxpas aus der Politik, den ich vorhin auch in unserer Tageszeitung lesen musste: Die USA in Gestalt ihres Botschafters John Bolton haben im Weltsicherheitsrat ein Veto gegen eine UN-Resolution eingelegt, die den israelischen Artillerieangriff auf den Gazastreifen verurteilen sollte. Begründung Rice's: "der tragische Zwischenfall in Bet Hanun" würde "dazu benutzt, um eine einseitige politische Sichtweise zu fördern." Tja, fragt sich nur, WER hier eine einseitige Sichtweise fördert!!! ;) Mehr muss ich dazu nicht sagen.

Karin 13.11.2006, 06.18 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Genug der Blümchen

Jetzt kommt mal was Ernsthaftes. SEHR ernsthaft. Vielleicht DER Granitbrocken dieses Tages (mich selbst vom Blümchen- in den Granitmodus schalt - bin ich dafür jetzt multipel? ;)). Hoffentlich gehen darunter keine Blümchen kaputt *sorgenvollguck*.

Ach, was soll's - Ich falle jetzt einfach mal - entgegen meiner Gewohnheit - mit der Tür ins Haus beinahe mit dem Kometen in diese schöne Welt ein, weil es nämlich schon etwas dringend ist.

Schließlich ist es ja auch so, dass es nicht allen Bloggern so gut geht wie uns. Nicht alle können so frei ihre Meinung äußern, über Blümchensex, äh -bloggen und Kometeneinschläge in Gesellschaft und Politik schreiben. Oft ist es sogar für manche noch viiiiel schlimmer.

Worauf ich hinaus will -> hier klicken und lesen.

Können/Dürfen wir das als Mitblogger zulassen, dass unsere internationalen Gefährten SO behandelt werden? Ich meine: Nein.

Müssen wir aber auch nicht. Denn man kann auch etwas dagegen TUN. Also konkret: Diesen Protest unterschreiben und diese Website besuchen und verlinken (hier ist noch die Startseite). Leider nur noch bis heute. Also los, worauf wartet Ihr noch? ;)

Karin 08.11.2006, 15.16 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Worst Lobby

Dass die Politik für gewöhnlich oft von Lobbyisten nachhaltig (negativ) beeinflusst wird, ist ja an sich nichts Neues. Einige besonders gravierende Fälle stechen aber noch weit aus der Masse der - fast hätte ich gesagt: betrügerische Unternehmen, denn für mich grenzt das schon an Kriminalität - hervor.

Eben für diese Fälle, und um auf die Missstände aufmerksam zu machen, die Lobbying in der Politik kreieren kann, hat man den Worst EU Lobby Award ins Leben gerufen.

Stellt sich nur die Frage, was es bringen soll, einen von vielen meiner Ansicht nach ALLEN schlimmen Fällen auszuwählen. Zudem stellt sich die Frage, ob sich die "Nominierten" nicht am Ende noch geehrt fühlen, wenn sie zum Worst Lobbyist "gekürt" werden.

Aber immerhin werden sie dann wenigstens bekannt. So oder so. Ich würde mir wünschen, eher anders als so. Doch kann man das vorher so genau sagen? ;)

Karin 06.11.2006, 07.45 | (0/0) Kommentare | PL

Brötchentütengebühr

Eine weitere Maßnahme der Bundesregierung, die wieder mehr Geld in deren Kassen spülen soll. Dafür will unser Umweltminister sogar die Verpackungsverordnung insoweit ändern, als die bisherige Befreiung der Bäcker von den Recyclinggebühren aufgehoben werden soll.
Dass aber die Brötchentüten, die ja meist aus Papier sind, bekanntlich nicht einmal in den Gelben Sack, sondern in den Restmüll (ins Altpapier schon deshalb nicht, weil ja Speisereste daran sein können) geworfen werden, wird dabei völlig außer Acht gelassen.
Und an wem die 30% Mehrkosten, die den 17.000 deutschen Bäckern dadurch voraussichtlich entstehen würden (das entsprächen circa 15.000 € zusätzlich im Jahr für einen einzigen Bäckerbetrieb, der noch etwa ein Dutzend Filialen hat), schießlich hängen bleiben würden, wenn diese Entsorgungsgebühr durchgesetzt wird, braucht man auch gar nicht erst zu erraten, weil es auf der Hand liegt.
Ganz zu schweigen davon, was für ein höherer Aufwand für beide Seiten entstehen würde, da die Bäcker, sollte der Gesetzentwurf so verabschiedet werden, gezwungen wären, die gebrauchten Verpackungen vom Kunden zurückzunehmen.

Karin 01.11.2006, 22.45 | (1/1) Kommentare (RSS) | PL

Hillary Clinton for President

Der von mir gewählte Titel ist übrigens teilweise provokativ gemeint. Teilweise, weil mir durchaus bewusst ist, dass es einige Kritikpunkte gibt. Mein persönliche Gesamtmeinung zu einer eventuellen Präsidentschaftskandidatur Hillarys 2008 (die ja aktuell noch nicht einmal sicher ist) tut jedoch im Augenblick genauso wenig zur Sache wie ob oder inwiefern ich diese Frau sympathisch finde, und soll daher nicht vordergründig Gegenstand dieses Beitrags sein.

Was mir aber in dem entsprechenden Stern-Artikel (in der aktuellen Ausgabe) aufgestoßen ist, ist dass beim Lesen der Eindruck entstand, als wolle man diese Frau und ihre Intentionen unbedingt - und das, nur das, ist meiner Ansicht nach unfair und boulevardpressenmäßig - in ein schlechtes Licht rücken (oder gar in Frage zu stellen, indem man bestimmte Dinge zu sehr betont). In dem Artikel »Hillary Clinton - Zurück in die Zimmer der Macht« schreibt der Stern:

»Wer Hillary Clinton im Wahlkampf begleitet, zu den Bauern im Norden und den Arbeitern Long Islands, trifft nicht mehr auf die kühle Feministin von einst. Er trifft auf die Expertin für Milchquoten, die Trägerin einer nationalen Bauernmedaille, die Fachfrau für Elektrobusse. Aber er wird auch jene Ehefrau antreffen, die einst betrogen wurde, die durch ein Tal gehen musste, so wie Bush durch den Suff, durch jenen Skandal, der ihr das menschliche Antlitz gab, das früher niemand erblicken konnte in dem Gesicht aus krankhaftem Ehrgeiz und Kalkül. In gewisser Weise war Monica Lewinsky das Beste, was ihr passieren konnte.«

Ich muss sagen, dass ich mich über diesen letzten Satz am meisten aufgeregt habe. Warum legt man es unbedingt darauf an (so prominent politische Persönlichkeiten auch sein mögen) alte Fälle wieder aufzurollen, die mit der eigentlichen Sache überhaupt nichts zu tun haben (und für die Beteiligten ist es sogar sehr verletzend, wenn sie in ihrer Sprache irgendwo wieder damit konfrontiert werden - ich will damit nur sagen, dass ich es unsachlich finde, und will keineswegs die Ereignisse beschönigen). Ich denke, eine solche Berichterstattung macht es den typischen amerikanischen Wahlkampfmethoden (die ich damit keinesfalls grundsätzlich schlechtreden will; ich meine hiermit nur diesen einen negativen Aspekt) gar nicht so unähnlich. Dabei sind es nicht einmal wir, sondern die Amerikaner, die sich am Sonntag bei den Kongresswahlen und 2008 bei der Präsidentschaftswahl entscheiden müssen. Aber Hauptsache, man hat irgendetwas zum Lästern. So etwas vermeintlich Unterhaltsames verkauft sich anscheinend gut. Dabei würde ich den Stern eigentlich NICHT in die Sparte der »Revolverblätter« einordnen.

Zurück zu Hillary Clinton: Es ist klar, dass, wenn man den Weg der Mitte beschreitet, bloß um nirgendwo mehr anzuecken (oder auch einfach als Strategie), dass man dann auch manchmal sehr kontroverse Ansichten vertritt*. Dennoch muss das nicht unbedingt heißen, dass eine solche konsenssuchende Vorgehensweise zum Scheitern verurteilt sein muss. Es kann auch - vorausgesetzt, es wird richtig gemacht - das Gegenteil der Fall sein.

Persönlich finde ich eine solche Position daher gar nicht so verkehrt - was aber nicht heißen muss, ich sei mit all ihren Standpunkten konform (zumindest einen wesentlichen Punkt vertrete ich beispielsweise überhaupt nicht).


*Der Stern beschreibt das folgendermaßen sehr gut:

»Sie betritt die Bühne, in ihrem schwarzen Hosenanzug, und redet mit der scharfen, klaren Stimme des mittleren Westens, redet von einer besseren Welt. Sie ist nicht gegen den Irakkrieg, sie will nur einen besseren. Sie ist nicht gegen Abtreibungen, nennt sie aber eine tragische Wahl vieler Frauen. Sie ist für mehr Freiheiten, will aber Flaggenverbrennungen unter Strafe stellen. Sie präsentiert sich als ausgleichende Frau der Mitte - Ihr Vater Republikaner, ihre Mutter Demokratin - sie mag sowohl die New York Yankees als auch die Chicago Clubs und bringt es fertig, Stones und Beatles nebeneinander auf ihrem iPod zu haben.«

Karin 01.11.2006, 21.55 | (0/0) Kommentare | PL

Internationaler Tag gegen die Todesstrafe

Ich habe lange überlegt, ob ich das Thema bloggen soll, denn ich will ja auch nicht, dass es in meinem Blog zu einseitig-depressiv zugeht. Aber da die Todesstrafe immer noch ein so aktuelles und wichtiges Thema ist, auf das man gar nicht genug aufmerksam machen kann, weil es sonst schnell wieder in Vergessenheit gerät, möchte ich doch den heutigen Tag noch nutzen, um darauf hinzuweisen.
Allerdings möchte ich auch keinen langen Vortrag darüber halten und gebe Euch stattdessen einige Linktipps, so dass Ihr Euch selbst ein Urteil bilden könnt, um vielleicht auch eine Anregung zu erhalten, sich selbst aktiv dagegen zu engagieren.
Zahlen und Fakten zur Todesstrafe
Argumente gegen die Todesstrafe
Website der World coalition against the death penalty (auf Englisch)
Allgemeine Infoseite von AI zur Todesstrafe (unter "Aktionen & Veranstaltungen" findet man auch eine Petition, die sich gegen die Hinrichtung Minderjähriger im Iran wendet, zur Unterschriftensammlung und Rücksendung an die AI-Stelle, die dann alles weiterleitet)
Hinrichtung psychisch Kranker in Texas und wie man sich dagegen einsetzen kann

Karin 10.10.2006, 21.17 | (0/0) Kommentare | PL

Ohne Titel

Schon mit acht Monaten werden nordkoreanische Kinder in staatliche Obhut gegeben. Damit ihre Mütter weiter Kohl ernten oder sonstwie von wirtschaftlichem Nutzen für den Staat (denn der eigene Nutzen, Verdienst ist doch eher spärlich) sein können. In diesen staatlichen Kitas (oder wie man diese Einrichtungen, in denen sie übrigens auch übernachten, nennen will) bekommen sie bereits in der Wiege Loblieder auf den so genannten »lieben Führer« Kim Jong Il(l) vorgesungen. Sobald sie laufen und sprechen können, geht der Drill in Form von Beschallung, und zwar schon morgens bei der Frühgymnastik, wo sie wiederum Loblieder singen müssen, weiter.
Wenn sie dann ins Schulalter kommen, erscheinen ihnen die zackigen Bewegungen, wie sie sich, wenn sie in der Klasse aufgerufen werden, stramm neben ihren Stuhl stellen, um irgendein englisches (!) Vokabelwort oder eine zuvor auswendig gelernte Erklärung nachzuplappern, als normal; ja, das alles, was mit Erziehung zu selbstständigem Denken (das wäre ja tödlich für das Regime) nicht mehr viel zu tun hat, ist dann bereits Alltag geworden.
So werden die Menschen schon sehr früh vorbereitet auf ein Leben in einem Land, wo das Wort »Freiheit« (falls überhaupt vorhanden) ein Fremdwort oder zumindest nicht erwünscht ist. Man kennt es eben dort nicht.

Wenn man sich schon eine Kindheit in Nordkorea vor Augen führt, eine Kindheit, die eigentlich keine ist, und die man sich als Außenstehender fast vollkommen trostlos vorstellt, so ganz ohne Glücksmomente, eben so grau wie die Äcker und Plattenbauten in diesem Land aussehen, so leer, wie die Straßen gemessen am motorisierten Verkehrsaufkommen sind; ja, wenn man sich das Leben dieser Kinder vorstellt, die nie Kind sein durften, sondern zum Geburtstag des verstorbenen Begründers dieses Elends vor einer Riesenstatue dessen aufmarschieren müssen, während die Musik für den Toten spielt und danach die Frauen in ausnahmsweise mal bunten Kleidern einen perfekt einstudierten Tanz aufführen; dann, ja dann ist es nicht schwer zu erraten, wie das Erwachsenendasein an diesem Ort erst aussehen wird.
Wo das Radio in der Küche mit seinem parteipolitischen, propagandistischen Programm einschließlich der Musik sich niemals ausschalten lässt.
Wo die Menschen in all ihrem Tun nur Marionetten sind, die nach der Nase desjenigen tanzen, um den sich alles rankt, der sich aber niemals zeigt - wahrscheinlich weil er momentan zu sehr mit Atomplänen beschäftigt ist und es ihm viel mehr Spaß macht, die Welt mit seiner angeblichen Macht in Atem zu halten, als sich ernsthaft um die Hungernden in seinem Land zu kümmern, die sich auch mager Kräuter- und Wurzel kauend noch nach ihm verneigen, wohl in der vagen Hoffnung, es möge doch noch etwas für sie herausspringen, hat man sie doch jahrzehntelang gelehrt, der »liebe Führer« (schon allein bei der unpassenden Bezeichnung wird mir ganz bitter zumute) würde für sie sorgen und bla bla bla.

Nach außen hin wird natürlich versucht, den Schein zu wahren. Die zwei Journalisten, die diese WDR-Reportage durchgeführt haben, sind zwei von wenigen aus dem Ausland, die überhaupt in das Land einreisen durften. Aber auch sie hatten den Eindruck, dass manches extra repräsentativ präpariert wurde. So beispielsweise die »Wohnung« einer älteren Frau, die eine Position innehat, in der sie die Verantwortung für 23 Familien trägt.

Unter dem Gesichtspunkt fragt man sich auch, ob das mit dem Schuhdesigner, der ach so vielfältige Damenschuhe herstellt und diese anscheinend auch verkauft, wirklich so alles der Wahrheit entspricht oder nur wieder das suggerieren sollte, was der Westen sehen soll: Dass Nordkorea ja ein soooo fortschrittliches, wirtschaftlich orientiertes Land sei... Wers glaubt, wird selig.

Etwa so selig, wie etwa das buddhistische Kloster, das abgesehen von zwei Mönchen (sind die überhaupt noch echt, wenn sie so von oben kontrolliert werden?!) einen ziemlich leeren Eindruck macht - wenn nicht gerade Horden von »Pilgern« sich durch die Ausstellungsräume führen lassen, wo Relikte einer untergegangenen (oder auch ersäuften) Zeit stumm (sprachlos) hinter Glasvitrinen stehen, wohl ohne auch nur eine Regung in den Menschen hervorzurufen, weil sie sicherlich gar nicht mehr wissen, was diese Gegenstände einmal bedeutet haben - man verschweigt es ihnen ja.

Es macht mich traurig, das so zu sehen. Aber noch trauriger macht es mich, wenn ich an all diese Menschen denke. Menschen, die wahrscheinlich zu Lebzeiten nicht mehr erfahren werden, was »Freiheit« bedeutet. Es sei denn, ihrem »lieben Führer« ereilt durch irgendeinen glücklichen Zufall eine schlimme Krankheit, die für ihn tödlich endet, damit das Land Nordkorea von einer noch sehr viel schlimmeren Krankheit geheilt wird.

Was natürlich nicht heißen soll, ich wäre so naiv zu glauben, dass sich damit alle Probleme von selbst lösen würden. Es würde einiges an Zeit brauchen, all das wieder aufzubauen, was dieses Regime falsch und kaputt gemacht hat (am schwersten wird es sein, das, was in den Menschen über Generationen kaputt gemacht wurde, wiederaufzubauen, nämlich ein Selbstbewusstsein, das in letzter Instanz dazu führt, dass sie ihr eigenes Schicksal selbst in die Hand nehmen, dass sie zunächst einmal an ihr eigenes vernünftiges Denkvermögen glauben und eine freie, kritische Meinungskultur entwickeln).
All das geht nicht von Heute auf Morgen, und sicherlich würden sie auch Hilfe von außen benötigen, um auf diesen Weg zu kommen (Hilfe heißt NICHT, dass ihnen wieder etwas aufgestülpt wird, wie im Irak vor Allem durch die USA und ihren Verbündeten geschehen).

Doch diese Zeit würde sich lohnen. Es wäre wohl das erste Mal seit langem (denn vorher war es ja wohl auch nicht SO), dass sich in Nordkorea wieder irgendeine Zeit lohnt. Dann wäre vielleicht auch endlich wieder etwas Zeit, die eigentlich schöne dortige Landschaft (und es gibt dort durchaus herrliche Naturgegenden, mit klaren Wasserfällen und weiten Bergen usw.) zu genießen.

Karin 10.10.2006, 01.38 | (2/2) Kommentare (RSS) | PL

Toller Vorschlag *Ironie an*

"Es gäbe einen Weg, sämtliche Wirtschaftsprobleme zu lösen: man müßte die Selbstgefälligkeit steuerpflichtig machen."

Jacques Tati (1907-1982), französischer Filmschauspieler und Regisseur

Wenn man sich das ganze Theater [hier eine kleine Kostprobe] in der Politik und insbesondere der letzten Zeit mal ansieht, muss man doch feststellen, dass der französische Filmregisseur gar nicht so unrecht hat.

Wenn durchaus wichtige Fragen, wo vernünftige, wohldurchdachte Lösungen und keine zerhackten Kompromisse, die die Situation keineswegs verbessern, sondern vielleicht sogar (erst Recht, wenn nach dem Prinzip »Erst handeln, dann denken« gehandelt wird) alles noch schlimmer machen, wenn solche Fragen im allgemeinen Hickhack zwischen zwei Parteien enden, dann erscheinen einem solche Gedanken (zumindest im ironischen Sinne) nicht mehr so unsinnig.

Ja, würde man die Selbstgefälligkeit (zum Beispiel vieler Politiker) steuerpflichtig machen, sähe der Staatshaushalt womöglich tatsächlich etwas anders aus (oder aber die Betroffenen würden massiv zu Steuersündern, um von den so eingesparten Steuergeldern einen Anwalt zu engagieren, mit Hilfe dessen sie den Staat - dem sie ja auch angehören, Paradoxie lässt grüßen - etwa des Rufmords verklagen würden).

Wahrscheinlicher aber wäre, dass solche Maßnahmen gar nicht erst notwendig werden würden, da ja die, die über so etwas bestimmen, ja meist auch die sind, die in diesem Falle davon betroffen wären. Tja, und in dem Punkt, was die (Nicht)Umsetzung anbelangt, wären sie sich dann wieder plötzlich seeeeehr einig...

Karin 09.10.2006, 23.46 | (0/0) Kommentare | PL

Ãœberbewertet

Das ganze Gerangel um das Papstzitat und die Kritik aus der islamischen Welt finde ich mal wieder ziemlich übertrieben. Für mich ist klar, dass solche Aufstacheleien eigentlich nur von Fanatikern stammen können, die ein Interesse haben, die beteiligten Kulturen gegeneinander aufzuwiegeln. Im Gegenzug ist doch inzwischen völlig klar, dass in der fraglichen Rede Ratzingers eindeutig und wortwörtlich der Dialog der Kulturen propagiert wird und nicht das Gegenteil. Außerdem spricht er in der entsprechenden Passage von einem historischen Gespräch eines byzantinischen Kaisers, das viele hundert Jahre her ist.

In der Passage heißt es aber auch weiter: "Der Kaiser begründet dann eingehend, warum die Glaubensverbreitung durch Gewalt widersinnig ist. Sie steht im Widerspruch zum Wesen Gottes und zum Wesen der Seele. "Gott hat keinen Gefallen am Blut und nicht vernunftgemäß zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider. Der Glaube ist Frucht der Seele, nicht des Körpers. Wer also jemanden zum Glauben führen will, braucht die Fähigkeit zur guten Rede und ein rechtes Denken, nicht aber Gewalt und Drohung...""
Weiter könnt Ihr den Auszug hier nachlesen.

Außerdem hat der türkische Kritiker Ali Barkakoglu längst zugegeben, dass er die Rede nicht ganz gelesen hatte, bevor er den Mund aufgerissen hat. Das Thema sollte also eigentlich schon gegessen sein. Fragt sich nur, was gewissen Menschengruppen als nächstes einfällt, um die Gräben zwischen den Kulturen erst zu schaffen.

Aber letztlich liegt es an uns allen und vor Allem auch den Medien, ob wir dies zulassen. Denn wenn so etwas erst von irgendjemandem falsch dargestellt (auch wenn es so nicht beabsichtigt war und einfach die Folgen einer solchen Äußerung nicht bedacht wurden) und dann diese falsche Darstellung in den Medien aufgebauscht wird, reiben sich die extremistischen Vereinigungen doch gerade die Hände. Genau das kommt ihnen doch erst recht zugute!

Papst Benedikt sollte meiner Ansicht nach einfach noch einmal öffentlich betonen, wie es gemeint war, und den Zusammenhang unterstreichen, und dann isset jut. Ein Grund zur Entschuldigung besteht eigentlich nicht, aber wenn es der Versöhnung dient, kann er es von mir aus als Bestärkung trotzdem machen. Und Ende der Geschichte.

Karin 16.09.2006, 13.15 | (0/0) Kommentare | PL

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Oscar Wilde (1854-1900)


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Dante Alighieri (1265-1321)


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