Ich möchte hier nicht auf alle Aspekte des
Tao-te-king eingehen. Wer Näheres
darüber sowie über den
Daoismus im Allgemeinen wissen will, der kann sich unter den gegebenen Links informieren. Was ich hier schreibe, sind lediglich meine ganz persönlichen Eindrücke und Gedanken, die ich bei der Lektüre gewonnen habe bzw. besonders markante Dinge, die mir dabei aufgefallen sind. Jedoch erhebe ich damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit, denn dafür umfasst es zu viel.
Ein paar Grundzüge möchte ich aber dennoch einleitend vorstellen.
Zunächst zur Begriffserklärung: Tao heißt im Chinesischen Weg, Te = Tugend. Demnach soll das Tao-te-king den Anhängern des Taoismus einen Weg der Tugend aufzeigen. Es ist wohl das wichtigste Werk dieser Lehre, eingeteilt in 81 versförmig geschriebenen, inhaltlich mehr oder weniger lose aufeinander folgenden Kapiteln (die Reihenfolge scheint eher zufällig, teils durcheinander und sich teils vom Inhalt her wiederholend), was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass manches im Laufe der Jahre verloren ging und / oder im Laufe der zahlreichen Übersetzungen und Abschriften, die davon gemacht wurden, durcheinander geriet.
Es ist nicht einmal sicher, ob die ganzen Texte überhaupt alle von Lao-Tse stammten (es sind vermutlich auch einige Zitate anderer dabei), oder ob manches bereits von seinen Schülern mit hineingenommen wurde. Die Version des Reclam-Verlages dürfte aber wohl die Ursprünglichste sein.
Kleiner Tipp vorweg, wenn Ihr das Büchlein lesen wollt: Unbedingt vorher den Einleitungstext lesen, um sich einen Überblick zu verschaffen und damit man sich anschließend gedanklich besser dort hineinversetzen kann.
Zum Grundverständnis der Tao-Lehre: Wesentliches Ziel und Grundvoraussetzung ist die Einheit von Himmel und Erde. Diese ist nur dann gewährleistet, wenn keines von beidem hervortritt.
Diese beiden sind eins und gleich.
Hervorgetreten, sind ihre Namen verschieden.
Ihre Vereinung nennen wir mystisch:
Die Pforte zu jedwedem Geheimnis.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Lehre ist das
Yin-und Yang-Prinzip. Dazu muss ich denke ich nichts mehr erläutern; sonst würde dieser Beitrag zu lang.
Die größte Tugend des Weges ist im Wesentlichen
Bescheidenheit. Erreicht werden soll das Ziel der Einheit durch das
Ohne-Tun (Wu-wei). Damit ist keineswegs gemeint, dass nichts getan werden soll, sondern ganz einfach, dass man alles natürlich ablaufen lässt, so wie es eben kommt; dass man sich nicht gegen die natürlichen Entwicklungen stellt.
Und hier taucht auch schon der erste Widerspruch auf: Denn die Tao-Lehre verlangt im Gegenzug vom Herrscher, der dem Weg folgt (das Werk ist nämlich auch ein politisches Werk, das sich einst auch an die Herrscher jener Zeit, die der Lehre folgen sollten, richtete), dass er das Volk so
unwissend wie möglich halten solle, weil darin die einzige Möglichkeit gesehen wird, dass sich keiner auflehnt. Lernen wird dort als etwas Schlechtes angesehen (!). Die Menschen sollen naiv daherleben, ewig Kind bleiben (die
Kindheit wird als etwas Reines angesehen, der Wurzelgrund) und sollen anstatt Gewinn zu erzielen sich auf das Wesentliche konzentrieren.
Erkennst Du das Dasein als einen Gewinn,
Erkenne: Das Nicht-Sein macht brauchbar.
Das Kapitel 10 fasst besonders gut den Weg zusammen:
Zügelnd den Leibgeist, umfassend das Eine,
Kannst ohne Fehl Du sein.
Versammelnd den Atem, gelangend zur Weichheit,
So kannst ein Kind Du sein.
Reinigend, läuternd den mystischen Blick,
Kannst ohne Mal Du bleiben.
Schonend das Volk dein Land regierend,
Kannst ohne Tun Du bleiben.
Die himmlischen Pforten geöffnet, geschlossen,
Kannst Du zum Weibchen werden.
Erleuchtend die vier Enden der Welt,
Kannst unerkannt Du sein auf Erden.
Erzeuge das, hege das!
Erzeugen, doch nicht besitzen,
Tun, doch nicht drauf baun;
Leiten, doch nicht beherrschen -
Dies nennt man Mystische Tugend.
Eindeutig ist der Taoismus eine pazifistische Philosophie (bin mir nicht sicher, ob man von einer Religion sprechen kann, denn sie haben ja keinen Gott und keine konkreten Bezugspersonen als Vorbilder, wenn man einmal von Lao-tse und den anderen Gelehrten absieht). Das Tao-te-king spricht sich
gegen jegliche Anwendung von Gewalt (die ja dem Weg schon in sich widersprechen würde) und gegen Waffen aus.
Im Staatswesen plädieren sie hingegen für ein
anarchisches System ohne Steuem, in dem sich alles quasi
von selbst ordnet (hier zeigt sich trotz manch guter Ansätze die Weltfremdheit dieser Glaubens- und Denkrichtung).
Gibt es im Reich viel Hindrung und Verbot,
So wird das Volk nur ärmer werden.
Gibt es im Volk viel nützliches Gerät (Anm: Menschen)
So wird das Herrscherhaus zerstört.
Mehrt sich der Menschen Schläue und Geschick,
Kommt auf viel Ordnungswidrigkeit.
Je mehr Gesetz und Weisung man erlässt,
Desto mehr Räuber gibts und Diebe.
Dann das
Thema Sexualität. Auch hier ist der Standpunkt widersprüchlich. Zum Einen wird sie hier als etwas Natürliches angesehen, das von Kind an vorhanden ist. Aber dann heißt es wieder einen Satz später:
Das Leben mehren heißt: Unheil beschwören.
(Ja, und wie haben die alten Taoisten dann bitteschön überlebt? ;-))
Irgendwo anders steht sinngemäß, die Frau wäre dem Mann unterlegen (einerseits), aber andererseits wird
das Weiche das Harte besiegen, was heißt, die Frau wäre letztlich stärker.
Das sind jetzt die markantesten Punkte, die mir aufgefallen sind. Es kann natürlich sein, dass ich einige Aspekte vergessen habe. Doch in großen Zügen mag das als Einblick genügen. Sicherlich gibt es noch zig weitere Aspekte, die man diskutieren könnte, und das macht es so interessant.
Fazit: Mir hat das Büchlein sehr viel Stoff zum Nachdenken und Inspiration für den Alltag gegeben - wenngleich es anfangs nicht leicht war, sich in dessen allgemeine Denkstrukturen hineinzudenken, und ich auch noch lange nicht mit allem einverstanden bin, was es predigt. Aber auch dazu sagt es ja selbst:
Wohl!
Wer vorschnell Ja sagt, findet kaum Vertrauen;
Wer vieles leicht nimmt, hat viel Schwierigkeit.
Deshalb der Heilige Mensch:
Gleichsam tut er sich schwer.
Darum bleibt er ohne Schwierigkeit bis ans Ende.
Ich bin fasziniert, wie mit einfachen und klaren Worten wesentliche Lebensweisheiten ausgedrückt werden, von denen man sicherlich so einige mit in sein eigenes Leben nehmen kann.