Zitat aus "Auf dem Jakobsweg" von Paulo Coelho:
"Gott wusste, dass, damit er seine Liebe beweisen konnte, das Volk den Schwächeren in den Tod schicken würde. (...)
Wen immer das Volk auch wählen würde, immer würde der Sohn des Vaters (= Bar-Abbas) am Ende gekreuzigt werden."
Wenn dem so wäre, dann müsste das in meinen Augen ein grausamer Gott sein, an den religiöse / kirchengläubige Christen glauben.
Ich verstehe nicht, was es mit Liebe zu tun haben soll, den Schwächeren
sterben zu lassen statt ihm beizustehen. Nur, damit der Stärkere noch
mehr über sich hinaus wachsen kann.
In der Evolution mag das ja durchaus ein nützliches Prinzip sein, dass
der, der stärker ist, sich durchsetzt, eben weil er einfach
überlebensfähiger ist.
Aber davon abgesehen, im Leben, fände ich es persönlich ein größeres
Zeichen von Liebe, sich für den Schwächeren einzusetzen und ihm mit
dieser Liebe, die ihm zuteil wird, letztendlich sogar zu stärken, damit
er bald aus eigener Kraft wird um seine Ziele und Träume kämpfen
können.
Hingegen empfinde ich es als grausam und ungerecht, wenn es andersherum ist.
Natürlich kann man es auch so sehen, dass man den Schwachen durch ein
solches Handeln von seinem Leiden erlöst. Aber ich denke, dies ist
einfach nur der einfachere Weg für manche - zumeist für die Stärkeren,
die sich dadurch bestätigt fühlen und sich freuen, nun ein paar
potentielle Steine weniger im Weg zu haben.
Stellt man sich das bis ins Extreme vor, dass ein solches Prinzip immer
angewendet würde, dann käme man bestimmt irgendwann zu dem Punkt, wo es
nur noch starke Menschen gäbe.
Und eine Gesellschaft nur aus
starken
(oder auch perfekten) Menschen - das erinnert mich irgendwie an Huxleys
"Schöne neue Welt", wo die Menschen zwar perfekt genormt sind, aber im
Grunde eigentlich auch wieder schwach, denn wenn irgendetwas
Unvorhergesehenes passiert, können sie sich nicht darauf einrichten,
weil es nicht mit dem übereinstimmt, was sie kennen und was sie gelernt
haben (bzw. worauf sie "programmiert" worden sind, um ganz bewusst eine
kalte Sprache zu verwenden).
Während mich vor so etwas schaudert, erscheint mir umgekehrt eine Gesellschaft nur aus
Schwachen genauso
wenig erstrebenswert - denn dann würde die Welt still stehen. Doch ich
denke, eine Gesellschaft nur aus Schwachen würde es sowieso unter
natürlichen Umständen niemals geben, weil der Mensch IMMER insgeheim
nach irgendetwas Höherem strebt - ein Relikt der Evolution, und das ist
auch gut so.
Nein, wir brauchen beide -
Starke UND Schwache.
Aber die (vermeintlich) Schwachen in den Tod zu schicken, das hätte
etwas Selektierendes und absolut NICHTS mit der Liebe Gottes oder was
auch immer zu tun. Im Gegenteil erinnert mich das sogar an... etwas
ganz, ganz Schlimmes.
Aus diesen Gründen empfinde ich persönlich auch die Kreuzigung Christi
als ungerecht und alles andere als liebevoll. Und könnte man den toten
Jesus heute über das befragen, das auf seinem Tod begründet wurde (und
was im Verlauf der Geschichte unter dessen Namen alles angerichtet
wurde), würde er sicherlich in vielen Punkten die Hände über dem
schüttelnden Kopf zusammenschlagen.
Unverständlich ist mir, dass man so etwas als Gottes Wille verkaufen
kann, obwohl es doch wohl nur die Ãœberzeugung einiger vermeintlich
"Starker" sein kann. Denn genau das ist es ja auch: Es steht in diesem Satz nirgendwo geschrieben, dass es Gottes Wille ist - das
Volk wollte es so (was auch noch lange nicht heißen muss, dass ALLE es so wollten).
Man kann dem Phänomen "Gott" für sich viele verschiedene Namen geben.
Manche nennen ihn schlicht "Gott Liebe". Das ist genauso richtig wie
die Aussage anderer: "Gott ist gerecht" oder wie wiederum andere für
sich sagen: "Ich glaube nicht an Gott" oder "Für mich ist es etwas ganz
anderes, das ich nicht benenne".
Aber um auf "Gott Liebe" zurückzukommen:
Wie bloß könnte es Liebe sein, den Schwachen umzubringen sterben zu lassen, obwohl man ihm helfen sollte / könnte????? Nein, das entzieht sich wirklich meinem Verständnis.
Vielleicht habe ich irgendwas nicht begriffen, vielleicht habe ich
einen anderen Blickwinkel, aus dem ich den Sinn dessen nicht erkennen
kann. Ich will auch niemandem auf den Schlips treten - aber so sehe ich
das.